Menschenrechtsbericht 2021 - Große Aufgabe für die neue Bundesregierung
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Deutschland hat in seiner geschichtlichen Historie selbst erfahren müssen, welche Auswirkungen es hat, wenn die eigene Regierung massive menschenrechtliche Vergehen begeht. Heute sind Menschenrechte ein Teil unserer Grundrechte, die im Grundgesetz verankert sind. Das Unterzeichnen weiterer Vereinbarung, wie beispielsweise die UN-Behindertenrechtskonvention, erweitern die rechtlich verankerten Menschenrechte.
Trotzdem ist Deutschland, trotz der Erfahrungen der NS-Diktatur, bis heute nicht der Vorreiter, was die Umsetzung von Menschenrechten betrifft. Gerade die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, ist bisher unter Unionspolitik nicht gelungen. Der geschichtliche Lernprozess, war hier eher suboptimal. Mit einer neuen Regierung, einer erstmaligen 3-Parteien Koalition, hat die Bundesregierung die Chance, die Versäumnisse nachzuholen. Vielleicht wird es dann auch seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, im neuen Bürgergeld, die Berücksichtigung der Kritik des UN-Sozialpaktes geben, der die Grundsicherung in seiner viel zu geringen Höhe bemängelte.
Hubertus Heil, als Bundesarbeitsminister, zu dem er gestern erneut vereidigt wurde, hat jetzt auch die Chance, seine Fehler mit der Grundrente zu korrigieren, die immer noch viele Menschen mit Behinderungen, ausschließt. Dabei ist es gerade die exclusion bestimmter Personengruppen, die Menschenrechtlich nicht zulässig ist.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht Menschenrechte als "Menschenrechte als verbindliche Richtschnur der Politik". Damit steht das Institut nicht allein da, denn erst eine Gesetzgebung, die ihre Säulen auf die Menschenrechte aufbaut, kann sozialgerechte und diskriminierungsfreie Gesetze schaffen. Für Deutschland wird das eine Mammutaufgabe. "Nicht nur die neue Bundesregierung ist hier gefragt, auch für den neuen Bundestag gibt es viel zu tun.", so das Institut.
Regelmäßig wird vom Institut für Menschenrechte ein Menschenrechtsbericht erstellt. Der Menschenrechtsbericht 2021 (4462 kb) befasst sich mit Themen wie:
- Deutschland im Menschenrechtsschutz system
- Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus – Maßnahmen konsequent umsetzen
- Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Deutschland und die EU setzen auf die Regulierung für Unternehmen
- Triage – Bundestag muss Diskriminierung gesetzlich verhindern
- Familienzusammenführung von Geflüchteten – rechtlich schwierig und praktisch unmöglich
- Kinderrechte ins Grundgesetz – eine verpasste Chance im Corona-Jahr
- Menschen mit Behinderungen – Wunsch und Wille als menschenrechtliche Grundlage für die rechtliche Betreuung
- Mehr globale Impfgerechtigkeit – eine menschenrechtliche Verpflichtung Deutschlands
Der Bericht, auch in einer Kurzfassung (260 kb) verfügbar. Erste Reaktionen gab es bereits von der SPR, die betonte, dass "der diesjährige Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) viele Empfehlungen ausspricht, die von der Ampel-Koalition in der kommenden Legislatur endlich angegangen werden. Die SPD-Fraktion im Bundestag schätzt die Arbeit des Instituts sehr und will es weiter stärken."
Das Institut für Menschenrechte, hat den Bericht der Bundesregierung übergeben und betont:
"Menschenrechte sind verbindliche Vorgaben für die Politik. Sie begrenzen aber auch den staatlichen Handlungsspielraum. Menschenrechte verlangen insbesondere, Freiheit und Teilhabe jener Menschen zu sichern, die diskriminiert werden oder infolge von Armut oder als Geflüchtete in einer besonders verletzlichen Lage sind. Dieser Ansatz spiegelt sich erfreulicherweise in Teilen des Koalitionsvertrags", erklärte Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, anlässlich der Vorstellung des 6. Menschenrechtsberichts am 9. Dezember.
Der Bericht an den Deutschen Bundestag liefert eine menschenrechtliche Bilanz des Zeitraums 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021. Er enthält zudem eine Reihe von Empfehlungen, zum Beispiel zur Triage, zu globaler Impfgerechtigkeit und zur Bekämpfung von Rassismus in Deutschland.
"Die Pandemie hatte und hat bis heute eine große menschenrechtliche Dimension", so Rudolf. Das zeige sich besonders in Triage-Situationen. "Der Bundestag muss dringend gesetzlich regeln, welche Kriterien für Ärztinnen und Ärzte gelten sollen, wenn wegen überfüllter Intensivstationen unter den lebensbedrohlich erkrankten Personen ausgewählt werden muss. Die noch zu erwartende Lebenszeit, Einschätzungen zur Lebensqualität oder das Alter taugen nicht als Grundlage für solche Entscheidungen und dürfen auch nicht indirekt herangezogen werden." Die Bewertung von Menschenleben sei mit der Würde der Menschen unvereinbar.
Die Entstehung und Verbreitung der Omikron-Variante macht aus Sicht des Instituts konkret sichtbar, warum weltweite Impfgerechtigkeit unerlässlich ist. "Mehr globale Impfgerechtigkeit darf kein Akt der Barmherzigkeit bleiben. Gemäß UN-Sozialpakt hat Deutschland die menschenrechtliche Verpflichtung, andere Länder bei der Gewährleistung des Rechts auf Gesundheit zu unterstützen. Die Bundesregierung muss sich für Regelungen zur freiwilligen Patentweitergabe einsetzen."
Der Bericht würdigt das 70-jährige Jubiläum der Genfer Flüchtlingskonvention. In diesem Zusammenhang kritisierte Rudolf den Umgang mit Schutzsuchenden an der polnischen Grenze zu Belarus. "Die Pushbacks von Schutzsuchenden durch polnische Grenzbeamte stellen einen eklatanten Bruch der Konvention dar. Polen muss den Zugang zum Asylverfahren gewährleisten. Deutschland sollte unverzüglich gegenüber Polen und auf EU-Ebene auf die Einhaltung der menschenrechtlichen Vorgaben drängen und Unterstützung durch die Übernahme von Asylsuchenden im Rahmen eines Relocation-Programms anbieten", so Rudolf. Das Leben der Menschen im Grenzgebiet sei akut bedroht.
Der Bericht befasst sich auch mit Themen, zu denen das Institut schon seit Jahren arbeitet, zum Beispiel Rechtsextremismus und Rassismus:
"Deutschland hat zuletzt einiges auf den Weg gebracht, um Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen, doch es muss mehr geschehen", konstatierte Institutsdirektorin Rudolf und forderte: "Der Bund und alle Länder sollten unabhängige Beschwerdestellen für Betroffene von rassistischer Polizeipraxis einrichten und Vorschriften, die rassistischen Polizeikontrollen Vorschub leisten, streichen." Zu begrüßen sei, dass die neue Bundesregierung das Amt des Beauftragten für Antisemitismus stärken und Beauftragte für Rassismus und Antiziganismus einsetzen wolle.
Frank Schwabe (SPD), menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD betont: „Viele der Forderungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte sind im Koalitionsvertrag enthalten: Dazu zählt etwa die Einsetzung von Beauftragten für die Antirassismusarbeit sowie Beauftragten für Antiziganismus. Auch die Förderung von zivilgesellschaftlichen Projekten und Organisationen wird die Koalition nachhaltig gestalten. Der Begriff der ‚Rasse‘ wird endlich aus dem Grundgesetz gestrichen. Zudem werden wir die Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Beim Familiennachzug haben wir die Forderung des DIMR nach Aufhebung der Visa-Kontingentierung für den Nachzug von subsidiär Schutzberechtigten in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Dazu haben wir uns auf eine Regelung für den Geschwisternachzug ähnlich dem Elternnachzug geeinigt. Wir werden uns ferner für eine gerechte Impfstoffversorgung einsetzen.
Die Vorlage des Berichts ist ein guter Anlass, dem DIMR für seine wertvolle Arbeit zu danken. Die neue Koalition wird sich hinter das Institut stellen, seine Unabhängigkeit sicherstellen und seine Arbeit stärken.“
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung