Bundesregierung einigt sich auf Gaspreisbremse
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Die Bundesregierung hat sich heute am Donnerstag auf eine Gaspreisbremse geeinigt. Dieses kündigten nach einer Pressekonferenz der Bundeskanzler Olaf Scholz, der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der Bundesfinanzminister Christian Lindner mit. Nach heftiger Kritik wurde sich für die Gasumlage auf eine Alternative geeinigt. Es soll die Gasumlage zum Oktober nicht kommen, um die Bürgerinnen und Bürger nicht noch mehr zu belasten. Die Bundesregierung hatte aufgrund der steigenden Gaspreise eine Gasumlage von 2,4 Cent je Kilowattstunde beschlossen ab Oktober um die Gasverbraucher und Importeure zu schützen. Stattdessen soll eine Gaspreisbremse kommen.
Der Bundeskanzler Olaf Scholz wurde virtuell zugeschaltet. „Wir können spätestens nach den Zerstörungen an den Pipelines sagen: In absehbarer Zeit wird Gas aus Russland nicht mehr geliefert werden“, sagte Scholz. Deutschland sei aber vorbereitet: Es seien die Speicher gefüllt, LNG-Terminals seien im Aufbau, Kohlekraftwerke werden wieder ans Netz gebracht, „und wir nutzen die Kapazitäten der süddeutschen Atomkraftwerke in den Monaten Januar bis März, soweit das nötig ist.“
Trotzdem seien die Gaspreise zu hoch, so Scholz. Das sei für Privathaushalte und Unternehmen eine Belastung. „Die Preise müssen runter“, betonte Scholz. „Deshalb spannen wir jetzt einen großen Abwehrschirm“. Auch gehe es darum, dass Rentner, Bäckermeister, die Handwerkerin oder der große Industriebetrieb ihre Rechnungen bezahlen können.
Jetzt geht's ans Eingemachte. Ein 200 Milliarden schwerer „Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds“, mit Krediten finanziert, soll Entlastung schaffen. Aus diesem „Fonds“ speisen sich dann unter anderem die Strompreisbremse und die jetzt verkündete Gaspreisbremse, sagte Scholz.
„Die Gasumlage war ein Instrument, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewähren“, sagte Habeck. „Jetzt gibt es andere Instrumente“, die für ein paar Wochen noch nicht zur Verfügung gestanden hätten. Dabei sei noch unklar wie Gaspreisbremse aussehe. So solle eine eingesetzte Expertenkommission zum Umgang mit den hohen Energiekosten zeitnah einen Vorschlag für eine Gaspreisbremse machen, erklärte Habeck. Es werden dann der Vorschlag beraten und umgesetzt. Es müsse dennoch darauf geachtet werden, dass der Gasverbrauch weiterhin zurückgehe, sagte Habeck. „Die Notwendigkeit, Energie einzusparen, bleibt unverändert bestehen.“
Der Bundesfinanzminister Christian Lindner, sagte: "Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit“. So habe dieser Krieg „das Ziel, zu zerstören, was sich die Menschen über Jahrzehnte aufgebaut haben. Wir können das nicht akzeptieren und werden uns zur Wehr setzen. Was wir heute erarbeitet haben, dieser Beschluss, ist eine glasklare Antwort an Putin.“ Zudem sei der Schutzschirm auch ein Signal an die Menschen im Land: Deutschland sei wirtschaftlich stark und könne auf solche Krisen antworten.
Bereits am Mittwoch hatten die Länder den Bund aufgefordert aufgrund der Inflation schnell einen Preisdeckel für Strom, Gas und Wärme für Haushalte und Firmen einzuführen. „Aller Voraussicht nach wird dies im dreistelligen Milliardenbereich liegen“, sagte die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey (SPD).
Der Abwehrschirm umfasst folgende Maßnahmen:
1. Angebot ausweiten, Verbrauch senken: Durch die Ausweitung des Angebots an Energie und die Senkung des Verbrauchs werden wir einen zentralen Beitrag leisten, dass die Gaspreise auf den Märkten wieder sinken. Dazu gehört u.a. eine umfassende Verbesserung des Angebots durch Ausschöpfung aller Potentiale der Erneuerbaren Energie, bei der Kohleverstromung einschließlich Sicherstellung der entsprechenden Versorgungstransporte, die Ermöglichung eines „Fuel Switch“ und der Aufbau von Importstrukturen durch Flüssiggas-Terminals (LNG-Terminals). Wir schaffen außerdem jetzt die Möglichkeit, die süddeutschen Atomkraftwerke bis zum Frühjahr 2023 laufen zu lassen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird weiter priorisiert und beschleunigt: Wir werden dafür sorgen, dass die geplanten Ausschreibungen für Offshore-Windparks so schnell wie möglich umgesetzt werden. Zudem werden wir mit Ländern, in denen die Möglichkeit zur Erschließung neuer Gasfelder besteht, im Rahmen der Verpflichtungen des Pariser Klimabkommens zusammenarbeiten, um die ausfallenden russischen Gaslieferungen durch neu erschlossenes LNG-Angebot zu ersetzen. Wir werden im Rahmen der aktuellen europäischen Diskussion den vernetzten Ausbau gemeinsamer Flächen für Offshore Wind, den Ausbau von Interkonnektoren sowie paneuropäische Investitionen in Wasserstoff-kompatible Pipeline-Infrastruktur vorantreiben. Wir werden dafür sorgen, dass über die letzten Monate mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung eingespeicherte Gasmengen über die Wintermonate wieder dem Markt zur Verfügung gestellt werden. Dafür werden Spot- und Terminmärkte genutzt. Die Bundesregierung appelliert an Unternehmen und private Haushalte, den Energieverbrauch zu senken, und achtet darauf, dass die Preissignale soweit wie möglich wirken. Zudem hat die Bundesregierung bereits eine Reihe konkreter Maßnahmen ergriffen, u.a. die Verordnungen zur Senkung des Energieverbrauchs, die Einführung eines Regelenergieproduktes, das Aufsetzen einer umfassenden Energiesparkampagne und Maßnahmen zur Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz, die fortlaufend angepasst werden.
2.Einführung einer Strompreisbremse für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie alle Unternehmen. Weil Gas aktuell den Preis setzt und weil dieser gerade so hoch ist, erzielen die Nicht-Gaskraftwerke sehr starke Zufallsgewinne. Diese sollen genutzt werden, damit Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen stärker von den günstigen Produktionskosten der erneuerbaren Energien und der übrigen Stromerzeuger profitieren und dies auf ihrer Stromrechnung sehen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird ein sogenannter Basisverbrauch subventioniert (Basispreis-Kontingent). Für den darüberhinausgehenden Verbrauch wird der jeweils aktuelle Marktpreis angelegt. So werden Verbraucherinnen und Verbraucher entlastet, zugleich wird zur Reduktion des Verbrauchs angeregt. Ziel ist es, den Endkundenpreis für Strom auf der Stromrechnung zu senken und von den hohen Preisen am Großhandelsmarkt zu entkoppeln. Es soll administrativ handhabbar sein und zeitlich schnell umgesetzt werden. Die übrigen Unternehmen, insbesondere große Industrieunternehmen, werden in ähnlicher Weise ebenfalls entlastet, indem ein spezifischer Basisverbrauch verbilligt wird.
3. Schnellstmögliche Einführung einer Gaspreisbremse. Die Gaspreisbremse wird die in einer Hochpreisphase auftretenden Belastungen für Haushalte und Unternehmen abfedern. Dadurch werden diese finanziell spürbar und sichtbar entlastet. Die Abfederung ist eine temporäre Maßnahme. Daher werden die Preise (zumindest für einen Teil des Verbrauchs) auf ein Niveau gebracht, welches private Haushalte und Unternehmen vor Überforderung schützt. Gleichzeitig sollen Anreize zur Reduktion des Gasverbrauchs erhalten bleiben. Die Gaspreisbremse ist befristet und kann nach Evaluierung verlängert werden. Ziel ist auch hier, sie administrativ handhabbar zu machen und zeitlich schnell umzusetzen.
Die genaue Ausgestaltung der Gaspreisbremse entlang der voranstehenden Leitlinien wird unter Berücksichtigung entsprechender Vorschläge der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ festgelegt werden, die bereits Mitte Oktober einen entsprechenden Bericht vorlegen soll.
4. Reaktivierung und Neuausrichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) soll im Jahr 2022 mit zusätzlichen Kreditermächtigungen aufgrund von Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 des Grundgesetzes in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet werden. Dadurch werden die Maßnahmen der Krisenbewältigung von allgemeinen politischen Vorhaben unterschieden. Die Möglichkeiten der Nutzung des WSF sind deshalb auf folgende Aufgaben begrenzt:
a. Finanzierung der Gaspreisbremse.
b. Liquidität und Zuschüsse für die Strompreisbremse. Für die Finanzierung der Strompreisbremse wird weiterhin die Abschöpfung der Zufallsgewinne der Stromproduzenten herangezogen. Bei Bedarf können bei Auseinanderfallen der Umsetzung der Entlastung und Abschöpfung jedoch Mittel aus dem WSF als Liquiditätshilfe zeitlich begrenzt genutzt werden.
c. Finanzierung weiterer Stützungsmaßnahmen für aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten geratene Unternehmen. Den Unternehmen, die nicht in ausreichendem Ausmaß von der Strom- und Gaspreisbremse erfasst werden, stehen Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen zur Verfügung. Diese richten sich zielgerichtet auf durch den Angriffskrieg Russlands verursachte Notlagen und vermeiden Mitnahmeeffekte. Hier soll auch eine Regelung für Härtefälle geschaffen werden.
d. Ersatzbeschaffungskosten für aufgrund des Krieges in Schwierigkeiten geratene und für die Marktstabilität relevante Gasimporteure. Die saldierte Preisanpassung wird daher aufgehoben und für die besonders betroffenen Unternehmen SEFE, Uniper und VNG werden stattdessen maßgeschneiderte Lösungen entwickelt.
Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) und KMU-Programm gehen in diesen Maßnahmen auf.
5. EU-Solidarabgabe für Unternehmen im Energiebereich. Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung einer Solidarabgabe für Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich und setzt sich für eine politische Einigung auf dem Sonder-Energierat am 30. September ein.
6. Reduzierung Umsatzsteuer Gas. Unabhängig von der Gasumlage werden wir die Umsatzsteuer auf Gas bis zum Frühjahr 2024 auf den reduzierten Satz von 7 Prozent begrenzen. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz wird außerdem auf Fernwärme ausgeweitet. Dies ist ein weiterer Beitrag zur Dämpfung der Energiekosten.
7. Vermeidung unverhältnismäßiger Bürokratie. Die Krise führt bei vielen Unternehmen zu zusätzlichen Belastungen. Es wird deshalb sorgfältig darauf geachtet, dass während der Zeit der Krise keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten die Wirtschaft beeinträchtigen (Belastungsmoratorium). Dafür wird sich die Bundesregierung auch in der Europäischen Union einsetzen.
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung
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