FDP sieht sich nach neuem CO2-Zertifikate-Kauf als „klimaneutrale Fraktion“
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Die FDP im Bundestag hat ihre CO2-Emissionen des Jahres 2022 durch Kompensationszertifikate ausgeglichen. Damit sei sie eine „klimaneutrale Fraktion“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Deutsche Umwelthilfe weist das nach Prüfung der Zertifikate zurück. Ihr Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sprach dem RND gegenüber von „Verbraucher- und Wählertäuschung“.
In dem Zertifikat der Berliner Organisation „For Tomorrow“, das dem RND vorliegt, heißt es: „Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag fördert direkten Klimaschutz in Europa mit For Tomorrow.“ Die FDP „kompensiert 388,9 Tonnen CO2-Ausstoß und bewirkt, dass 388,9 Emissionsrechte (EUA) stillgelegt werden“, so die Urkunde. Dies entspreche der Abschaltung eines Steinkohlekraftwerks für acht Stunden.
Die FDP-Fraktion schätzt ihren jährlichen CO2-Fußabdruck für 2022 auf rund 389 Tonnen, erklärte sie dem RND. Dort fließen unter anderem Dienstreisen, Büromaterial sowie die Emissionen der Fraktionsfahrzeuge und der Energieverbrauch der Fraktion ein. Für das ausgestoßene CO2 habe man Kompensationszertifikate erworben und sei damit klimaneutral, erklärte FDP-Fraktionsvize Köhler: „Als FDP-Fraktion lassen wir Taten sprechen und nutzen den Emissionshandel wofür er auch gedacht ist: effizienten und effektiven Klimaschutz.“
Die Deutsche Umwelthilfe bestreitet das nach Prüfung der Zertifikate. „Statt tatsächlich CO2-arme Dienstwagen zu nutzen oder Dienstflüge zu reduzieren, rechnet sich die FDP mit einem Taschenspielertrick klimaneutral“, sagte Bundesgeschäftsführer Resch dem RND. „So funktioniert Klimaschutz nicht.“ Das Emissionshandelssystem der EU, das genutzt wurde, sei für Außenstehende ungeeignet, „klimaneutral“ zu werden, so Resch. „Es ist eben kein geschlossenes System und damit ungeeignet, tatsächlich CO2-Emissionen einzusparen.“
Allein der Preis für die erworbenen Zertifikate spreche Bände: „Der Wert der stillgelegten Emissionszertifikate liegt bei rund 2000 Euro im Monat, das entspricht gerade einmal den Leasingkosten für einen gehobenen Verbrenner-Dienstwagen“, so der DUH-Experte.
Wenn die FDP wirklich in einen Wettbewerb um Klimafreundlichkeit treten wolle, solle sie „ehrlich CO2 reduzieren, zum Beispiel alle Verbrenner-Dienstwagen ihrer Abgeordneten durch effiziente Elektro-Pkw ersetzen und aufzeigen, wie sie erfolgreich durch den Verzicht auf Einweg-Verpackungen Müll vermeiden und in der Büroheizung und Klimatisierung Energie sparen“, so Resch. „Bei Dienstwagen, Reiseverhalten und Flugnutzung gehen aber gerade FDP-Spitzenpolitiker eher mit schlechtem Beispiel voran“, sagte der Umweltlobbyist mit Blick auf die jährlichen Dienstwagen-Bewertungen, die sein Verein durchführt. „Würde sich ein Unternehmen mit solchen Methoden das Etikett ‚klimaneutral‘ verpassen, würden wir das als Verbrauchertäuschung bezeichnen und rechtlich verfolgen.“
Einen Wettbewerb zwischen den Bundestagsfraktionen um den niedrigsten CO2-Fußabdruck pro Abgeordneten würde er sehr begrüßen, so Resch. „Aber sich auf diese unseriöse Weise per Ablaßhandel eine angebliche Klimaneutralität selbst auszustellen, ist für mich Verbraucher- und Wählertäuschung.“