Nachtragshaushalt - Urteil vom Bundesverfassungsgericht wird unterschiedlich aufgenommen
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Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem heutigen Urteil für viel neue Diskussionspunkte gesorgt, nicht nur innerhalb der Bundesregierung. Damals wurde im Nachtragshaushalt das "Verschieben" der nicht benötigten Corona-Hilfen in den Klimafond im Bundestag beschlossen. Schon damals gab es aus dem Plenum des Bundestags, kritische Stimmen, ob das Vorgehen der Bundesregierung so rechtlichen Bestand haben kann.
Mit dem heutigen Urteil kommt für die Bundesregierung eine neue Herausforderung, denn der Haushalt muss an einigen Punkten nachgeschärft werden. „Die Entscheidung aus Karlsruhe setzt die Bundesregierung erheblich unter Zugzwang. Sie zeigt den Unsinn der Schuldenbremse, die Regierung muss daher dringend umdenken. In den Bereinigungssitzungen des Haushaltsausschusses muss geklärt werden, wie eine Lücke von rund 60 Milliarden Euro gefüllt wird. Ich kann die Regierung nur warnen: Einsparungen dürfen nicht zulasten sozialpolitischer Projekte gehen. Die Bürgerinnen und Bürger sind in den vergangenen Jahren durch die hohe Inflation gebeutelt worden und sie haben weiterhin Anrecht auf einen soliden Sozialstaat, vor allem eine faire Rente mit einem stabilisierten Rentenniveau. Mit der Absage an die Umwidmung von Mitteln in die Klima- und Transformationsfonds steht auch das Förderprogramm des Gebäudeenergiegesetzes auf wackeligen Füßen: Die Wärmewende muss trotzdem mit zielgerichteten Förderinstrumenten für Privathaushalte mit wenig Eigenkapital gelingen. Die Schuldenbremse muss in einem ersten Schritt für das kommende Jahr weiter ausgesetzt werden, damit so wichtige Projekte wie die Kindergrundsicherung nicht scheitern. Statt Schuldenbremse brauchen wir höhere Einnahmen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Vermögenssteuer. Das Urteil setzt aber auch viele neue Fragezeichen hinter die Aktienrente. Denn das Generationenkapital sollte die Schuldenbremse umgehen. Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, dieses sinnlose Projekt einzustampfen und jetzt schnell einen Gesetzentwurf zur langfristigen Stabilisierung des Rentenniveaus vorzulegen.“
Christoph Meyer, der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, sieht in dem Urteil eine Stärkung der Schuldenbremse und betont: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stärkt die Schuldenbremse. Es verdeutlicht, dass eine Aussetzung der Schuldenbremse nur unter der Erfüllung sehr spezifischer Kriterien erfolgen darf. Welche Schritte für die geplanten Vorhaben im Klima- und Transformationsfonds (KTF) notwendig sind, werden wir mit unseren Koalitionspartnern beraten. Der Abschluss der Haushaltsberatungen wird wie geplant fortgesetzt und wo erforderlich, wird eine vorläufige Regelung getroffen. Die Übertragung der 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds basierte auf einem Kompromiss aller drei Koalitionspartner zu Beginn der Legislaturperiode. Klar ist, dass wir die Schuldenbremse weiterhin einhalten werden und eine Auffüllung des KTF nicht über neue Schulden erfolgen wird. Jetzt schlägt die Stunde der Konsolidierung und Priorisierung auch im Klima- und Transformationsfonds.“
Janine Wissler, Vorsitzende der Partei DIE LINKE und Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages: "Diese finanzpolitischen Verrenkungen waren nur nötig, weil Union, SPD, Grüne und FDP die Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben und damit Investitionen ausgebremst haben. Es wird Zeit, diesen Fehler zu beheben. Die Schuldenbremse verhindert Investitionen in den klimagerechten Umbau der Gesellschaft.
Wir müssen in den kommenden Jahren Hunderte Milliarden in Infrastruktur und Wirtschaft investieren, wenn wir die Klimaziele einhalten wollen. Deshalb wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die Schuldenbremse abzuschaffen. Das Urteil ist auch eine schallende Ohrfeige für den Finanzminister, der immer wieder betont, wie wichtig die Schuldenbremse ist und doch jeden denkbaren Trick anwendet, um sie zu umgehen. Das rächt sich jetzt mit einer klaffenden Lücke im Haushalt von 60 Milliarden Euro. Genau davor wurde von vielen Seiten gewarnt. Es sind in der Vergangenheit schon Minister wegen weniger zurückgetreten."
Der Bundeskanzler Olaf Schol (SPD) wies auf die Auswirkungen auf den Klima- und Transformationsfond hin. "Zuflüsse in Höhe von 60 Milliarden Euro aus dem Jahr 2021 stehen nun nicht mehr zur Verfügung. Deshalb werden wir den Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds im Lichte des Urteils nun zügig überarbeiten, die nötigen Veränderungen einarbeiten und auch eine vorläufige Regelung treffen, damit nicht unnötig Mittel verausgabt werden, die noch nicht festgelegt sind. Dazu wird der Finanzminister gleich noch sprechen. Für uns ist ganz klar, dass das eine Sache ist, die wir auch gern mit dem Parlament erörtern," so der Bundeskanzler in der heutigen kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.
Christian Lindner (FDP) als zuständiger Finanzminister betont dabei, dass die Bundesregierung das Urteil respektieren werde. "Es schafft Klarheit bezüglich der Schuldenbremse. Das Urteil hat allerdings potenziell weitgehende Auswirkungen auf die Staatspraxis und die Haushaltspolitik des Bundes und aller Länder; der Bundeskanzler hat schon darauf hingewiesen. Deshalb werten wir dieses Urteil sehr sorgfältig aus. Denn aus seinen Konsequenzen könnten sich auch Veränderungen für die Länderseite ergeben," ergänzte Lindner die Ausführungen des Bundeskanzlers.
Als sofortige Konsequenzen hat Lindner folgende Punkte aufgeführt:
- Erstens: Die auch bisher nicht genutzten Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro werden gelöscht.
- Ich habe heute nach § 41 der Bundeshaushaltsordnung eine Sperre des Wirtschaftsplans des Klima- und Transformationsfonds vorgenommen. Davon betroffen sind die Verpflichtungsermächtigungen, die für die Jahre 2024 fortfolgende jetzt nicht mehr belegt werden dürfen. Ausgenommen davon sind Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich.
- Drittens: Wir werden umgehend damit beginnen, einen neuen Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds für die Jahre 2024 fortfolgende aufzustellen.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck (Grüne) wies auf einige Punkte und deren Umgang damit hin, da der Klimafond auch für Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, sowie der Wirtschaft verwendet wird: "Ich nenne ein paar Beispiele: die Übernahme der EEG-Umlage und damit die Senkung der Stromkosten für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, von normalen Bürgerinnen und Bürgern über den deutschen Mittelstand bis zur Industrie, die Förderung von Gebäudesanierung - Fenster, Türen, Dämmung oder eben auch Wärmemittel -, die Förderung von E-Mobilität inklusive der Ladesäuleninfrastruktur, die Möglichkeit, die kommunale Wärmewende voranzubringen, beispielsweise indem Geothermieprojekte unterstützt oder Fernwärmesysteme ausgebaut werden, und die Baufinanzierung, beispielsweise die Beschlüsse des Baugipfels. Die heutigen Beschlüsse des Gerichts und die Umsetzung durch den Bundesfinanzminister bedeuten, dass alle zugesagten Verpflichtungen eingehalten werden und neue Verpflichtungen erst dann eingegangen werden können, wenn der neue Wirtschaftsplan aufgestellt wird. Ich hoffe, dass die Arbeit daran zeitnah beginnt und beendet wird."
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung
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