Wegen Gesundheitsversorgung: Beschwerde bei der EU-Kommission gegen Deutschland
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Menschenrechte sind eines der Grundsäulen unserer Gesellschaft und des internationalen Zusammenlebens. Immer wieder kommt es aber vor, dass Staaten gegen Menschenrechte oder das Völkerrecht verstoßen. Das zeigen insbesondere die Kriegsereignisse der Vergangenheit.
Geht es allerdings um innerstaatliche Menschenrechtsverletzungen, oder Missachtung von Grundwerten, auch auf EU-Ebene, fehlt häufig die Transparenz. Ein gutes Beispiel ist die Umsetzung der Rechte für Menschen mit Einschränkungen. In Deutschland oft nicht gut umgesetzt und es hat den Anschein, als wenn selbst die Umsetzung der Kritik des UN-Fachausschusses, mit sich warten lässt.
Selbst bei Menschen mit altersbedingen Einschränkungen differenziert Deutschland und sorgt dadurch dafür, dass viele Menschen im Alter nicht die selben Nachteilsausgleiche wie jüngere Menschen bekommen.
Das ist aber nur ein Baustein, denn ein anderer spielt sich im Gesundheitswesen ab. Es ist ein Irrglaube, dass alle Menschen gut versorgt werden. Das erfahren nicht nur Menschen die ihren Wohnort wechseln, ein neuer Arzt meist nicht zu finden, sondern auch jene die im Alter von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche wechseln wollen, da die Rente für die dann hohen Beiträge oft nicht mehr ausreichend sind.
Ärzte der Welt e.V., machte heute auf eine andere Situation im Bereich der Gesundheitsversorgung aufmerksam: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reicht heute gemeinsam mit Ärzte der Welt und 45 weiteren Organisationen eine förmliche Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Damit rügt das Bündnis erneut die Meldepflicht, die seit über 30 Jahren Menschen ohne Papiere faktisch von jeder ärztlichen Versorgung ausschließt. Die aktuellen migrationspolitischen Entwicklungen lassen befürchten: Das Koalitionsversprechen, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus endlich eine medizinische Basisversorgung zu ermöglichen, wird in dieser Legislaturperiode nicht eingelöst.
"Die EU darf nicht dabei zusehen, wie Deutschland die absoluten Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens missachtet und Teilen der Bevölkerung de facto den Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt", betont Sarah Lincoln, Juristin bei der GFF. Dabei garantiert die EU-Grundrechtecharta das Recht auf ärztliche Versorgung. Deutschland verstößt mit der Meldepflicht im Gesundheitswesen gegen verfassungs- und europarechtliche Vorgaben. In keinem anderen europäischen Land sind die für die Gesundheitsversorgung zuständigen staatlichen Anlaufstellen verpflichtet, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus zu melden.
Menschen, die in Deutschland ohne geregelten Aufenthaltsstatus leben, haben auf dem Papier zwar einen Anspruch auf Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Sobald sie sich an die Sozialbehörde wenden, um den dafür erforderlichen Behandlungsschein zu erhalten, droht ihnen jedoch die Abschiebung. Die Sozialbehörde ist dazu verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörde zu übermitteln. Aus Angst vor einer Abschiebung meiden Betroffene den Gang zum Arzt.
"Es ist unfassbar, dass in Deutschland hunderttausende Menschen leben, die keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung haben. Selbst Kinder erhalten keine ärztliche Behandlung. Lebensbedrohliche und auch ansteckende Krankheiten bleiben bis zum absoluten Notfall unbehandelt", kritisiert Janina Gach, Fachreferentin für Inlandsprogramme bei Ärzte der Welt.
Statt wie angekündigt eine zügige Reform umzusetzen und den Gesundheitsbereich von der Meldepflicht auszunehmen, verschärft die Bundesregierung die Vorschriften zum Datenaustausch im Ausländer- und Sozialrecht. Vor diesem Hintergrund legt das Bündnis seine Beschwerde von 2021 erneut bei der Europäischen Kommission vor und rügt eine Verletzung der europäischen Datenschutzvorgaben und des Rechts auf Gesundheitsversorgung.
Gemeinsam mit über 80 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen setzen sich die GFF und Ärzte der Welt seit 2021 mit der Kampagne #GleichBeHandeln dafür ein, dass Menschen ohne Angst zum Arzt gehen können.
Einwanderungskontrolle und Gesundheitsversorgung müssen von der Bundesregierung endlich getrennt behandelt werden, wie bereits von mehreren UN-Menschenrechtsausschüssen gefordert. Die Europäische Kommission hat jetzt 12 Monate Zeit, um eine Verletzung von EU-Recht zu prüfen. Liegt ein Verstoß vor, kann die Kommission ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Autor: kk / ots