Kretschmann stellt sich gegen Gleichbehandlungsgesetz
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In Baden-Württemberg kommt es derzeitig zu Debatten um das dortige Gleichbehandlungsgesetz, das dazu dienen soll, dass sich Bürgerinnen und Bürger leichter gegen Benachteiligungen bei Behörden wehren können. Jetzt will der dortige Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dieses nach SWR-Informationen kippen, wie von "Tagesschau" berichtet wird.
Laut dem Bericht soll Florian Stegmann (Grüne), der Chef des Staatsministeriums, angekündigt haben, dass man das Gesetz wegen „massiven Protesten aus den Kommunen, der Wirtschaft und den Ministerien“ fallen lassen will. „Sowohl aus grundsätzlichen Erwägungen als auch aufgrund der konkreten Ausgestaltung kann und werde ich den aktuell vorliegenden Entwurf für ein Gleichbehandlungsgesetz nicht in die weitere Regierungsabstimmung bringen“, zitiert der SWR aus einem Schreiben, das dem SWR vorliegt. Er soll die „regierungstragenden Fraktionen“ aufgefordert haben, auf die Umsetzung des Koalitionsvertrags in diesem Punkt vor dem Hintergrund der aktuellen Lage und Diskussion zu verzichten.
„Das Scheitern des Gleichbehandlungsgesetzes ist ein weiterer Rückschlag für viele Menschen, die in unserem Land tagtäglich von Diskriminierung betroffen sind“, sagte der querpolitische Sprecher der SPD, Florian Wahl.
Landesbezirksleiter Martin Gross von der Gewerkschaft verd.di betonte:"Monatelang bei der Ausländerbehörde auf eine Aufenthaltserlaubnis warten oder eine Polizeikontrolle als diskriminierend erleben. Zwei Beispiele, die zeigen, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen und zu unterscheiden, wo es um Personalmangel und Überlastung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst geht und wo vielleicht tatsächlich eine Ungleichbehandlung vorliegt". Gross betonte weiter: „Im Koalitionsvertrag hatten Grüne und CDU zurecht vereinbart, endlich ein Gleichbehandlungsgesetz im Land einzuführen. Das Gesetz wäre eine große Chance, das gerade bei vielen Menschen erodierende Vertrauen in den Staat wiederherzustellen. Monatelang bei der Ausländerbehörde auf eine Aufenthaltserlaubnis warten oder eine Polizeikontrolle als diskriminierend erleben. Zwei Beispiele, die zeigen, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen und zu unterscheiden, wo es um Personalmangel und Überlastung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst geht, und wo vielleicht tatsächlich eine Ungleichbehandlung vorliegt. Die Chance, das unabhängig zu checken, wäre keine Bürokratie, sondern stärkt das Vertrauen in unsere Demokratie und unseren Staat. Zum Vorteil beider Seiten: Für Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht auf gleichberechtigte Behandlung durch den Staat haben, sowie auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Denn nur mit einer für jede und jeden zugänglichen Überprüfung kann ein falscher Generalverdacht gegen Behörden oder Polizei aus dem Weg geräumt werden, der die Kolleginnen und Kollegen, die für uns unter immer schwierigeren Bedingungen den Laden am Laufen halten, auch belastet.“
Vom VdK Landesvorsitzenden Hans-Josef Hotz heißt es: „Herr Kretschmann, es verwundert uns doch sehr, dass Sie das geplante Gleichbehandlungsgesetz jetzt als Bürokratiemonster bezeichnen und fallen lassen wollen. Es gibt doch wahrlich Rechtskomplexe im Land, die zuerst entrümpelt gehören, wie beispielsweise das Steuerrecht“ Hotz weiter: „Wir fordern die Landesregierung auf, das geplante Gleichbehandlungsgesetz weiter zu planen und umzusetzen. Lassen Sie sich jetzt nicht von Bedenkenträgern abschrecken! Knicken Sie nicht ein vor Behörden, Ministerien und Wirtschaft. Stellen Sie sich weiter konsequent vor die Schwachen in unserer Gesellschaft!“, fordert Hotz. Im Bundesland Berlin gäbe es bereits seit 2020 ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz. Es sei keinesfalls ein Bürokratiemonster, durch vermittelnde Ombudsstellen würde die Bürokratie sogar entlastet, so Hotz.
„Das geplante Gleichbehandlungsgesetz ist zweifellos ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes“, sagt VdK-Landesverbandsvorsitzender Hans-Josef Hotz. Diskriminierung müsse in allen Bereichen des öffentlichen Handelns konsequent bekämpft werden. Es müssten gleiche Rechte für alle gelten.
„Wir im Sozialverband VdK Baden-Württemberg wissen, dass Bürgerinnen und Bürger bei den Behörden oftmals nicht zu ihrem Recht kommen. Menschen mit Behinderungen wird ihr Grad der Behinderung aberkannt, Rentner bekommen einen falschen Rentenbescheid, die Anträge sind für Angehörige von Pflegebedürftigen zu kompliziert. Der VdK legt Widerspruch ein, klagt vor den Sozialgerichten," erklärt VdK-Landesvorsitzender Hotz.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung