Experten befürworten effektivere Notfallversorgung
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Gesundheitsexperten befürworten eine effektivere Notfallversorgung, sehen die von der Koalition geplante Reform aber teilweise kritisch. So bezweifeln einige Experten die Effizienz der Neustrukturierung und damit auch die erhoffte Einsparung in Milliardenhöhe, wie eine Anhörung des Gesundheitsausschusses über den Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/13166) gezeigt hat. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung am Mittwoch sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Nach Ansicht des AOK-Bundesverbandes muss die Notfallreform im Zusammenspiel mit anderen Gesetzgebungen, etwa der Krankenhausreform oder dem Gesundes-Herz-Gesetz, umgesetzt werden. Damit die Notfallreform erfolgreich werde, müsse die notdienstliche Akutversorgung ambulant auch wirklich zu stemmen sein. Wenig optimistisch äußerte sich die AOK zu den Einsparzielen. Die Einsparpotenziale von bis zu einer Milliarde Euro jährlich seien „nicht seriös beziffert“. Es müssten Überkapazitäten abgebaut und sektorübergreifende Lösungen geschaffen werden.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) machte deutlich, dass sich die Notfallreform auch auf Hilfe bei psychischen Krisen erstrecken müsse. Wenn Menschen mit psychischen Erkrankungen oder akuter psychischer Symptomatik eine Notfallambulanz aufsuchten, blieben sie zu häufig unversorgt oder würden fehlversorgt.
Nachbesserungen fordert auch der Spitzenverband der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa). Die ökonomischen Fehlanreize in der Notfallversorgung könnten durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht konsequent beseitigt werden. In der Folge seien die Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu heben. Die beteiligten Versorgungsbereiche müssten besser miteinander verzahnt werden.
Der Deutsche Landkreistag (DLT) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) kritisierten die geplante Einbeziehung des Rettungsdienstes als eigenen Leistungsbereich im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und warnten davor, in funktionierende Strukturen einzugreifen. DLT und DRK trügen als Träger des Rettungsdienstes, der Rettungsleitstellen, über eigene Krankenhäuser und bei der Gefahrenabwehr eine zentrale Verantwortung. Dem Bund fehle es an Zuständigkeit zur Regelung des Rettungsdienstes im SGB V.
Die Bundesärztekammer (BÄK) würdigte, dass keine völlig neuen Strukturen geschaffen würden, sondern auf die bestehenden Strukturen der Leitstellen und Notdienstpraxen aufgesetzt werde. Zwingende Voraussetzung für die Reform sei jedoch die Schaffung ausreichender Kapazitäten. Ambulant tätige Ärzte könnten die Notaufnahmen und den Rettungsdienst nicht entlasten, wenn es keine freien Kapazitäten für die Versorgung von Akutfällen gebe. Unklar sei, wie die Notfallreform mit der Reform der Krankenhausfinanzierung abgestimmt werden solle.
Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) forderte wie andere Verbände eine bessere Verzahnung von ambulantem Sektor, Rettungsdienst und stationärem Sektor. Für die Schnittstelle des Rettungsdienstes zu den Integrierten Notfallzentren (INZ)/Notfallaufnahmen müssten zeitliche Vorgaben zur Gestaltung der Übergabe geschaffen werden.
In der Anhörung ging es in vielen Fragen um die technische Umsetzung der Reform, die geplanten Zuständigkeiten und Abläufe. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis nannte die Reform elementar, um Ressourcen besser zu nutzen. Dazu brauche es verbindliche Regelungen und einheitliche Qualitätsvorgaben sowie die nötige technische Ausstattung. Das alles müsse außerdem auskömmlich finanziert sein, gab der Mediziner zu bedenken.
Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) warnte, die Bevölkerung dürfe nicht das Signal erhalten, dass es künftig zusätzliche Stellen für die Versorgung gebe, wenn es in den Praxen mal zu lange dauere. Vielmehr müsse geklärt werden, welche Behandlungsnotwendigkeiten in welcher Ebene zu welchem Zeitpunkt erforderlich seien, und das bundesweit verbindlich und qualitätsgesichert.
Autor: Bundestag/hib | © EU-Schwerbehinderung/Deutscher Bundestag