IMK-Inflationsmonitor: Hohe Inflation belastet ärmere Familien langfristig
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Die Inflationsrate in Deutschland ist im Oktober gegenüber September von 1,6 auf 2,0 Prozent gestiegen. Damit lag sie beim Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent - ein Niveau, das sie bereits im ersten Halbjahr 2025 auch dauerhaft halten wird. Die Inflationsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, lagen im Oktober mit einer Ausnahme unter zwei Prozent.
Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate betrug 0,7 Prozentpunkte. Während insbesondere ärmere Familien im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im Oktober 2024 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und niedrigen Einkommen verteuerte sich um 1,4 Prozent. Dabei wirkte sich aus, dass sowohl aktuelle Preisrückgänge bei Haushaltsenergie als auch bei Kraftstoffen in ihrem Warenkorb ein relativ hohes Gewicht haben, was den wieder stärkeren Anstieg der Lebensmittelpreise mehr als ausglich. Das gilt, etwas abgeschwächt, auch bei Alleinerziehenden und bei Paaren mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen, deren Teuerungsraten mit je 1,6 Prozent im Haushaltsvergleich ebenfalls unterdurchschnittlich waren. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.
Während die Teuerung damit aktuell unter Kontrolle ist, zeigt ein längerfristiger Vergleich, den IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober in ihrem neuen Bericht anstellt, die Auswirkungen der hohen Inflation in den vergangenen Jahren. Insgesamt lagen die Verbraucherpreise im Oktober 2024 um 20,4 Prozent höher als fünf Jahre zuvor. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich im gleichen Zeitraum sogar um 37,1 Prozent, Energie war trotz der deutlichen Preisrückgänge in letzter Zeit um 37,3 Prozent teurer als im Oktober 2019.
Doch auch wenn die zwischenzeitliche Teuerungswelle damit "deutliche Spuren im Preisniveau hinterlassen" hat, sind für die Geldpolitik die mittlerweile wieder normalisierte Preisentwicklung und die entsprechend entspannte mittelfristige Perspektive maßgeblich, betont die Ökonomin Tober. Zumal die Konjunktur schwach ist und die Aussichten eingetrübt sind. Daher hält die Autorin des IMK Inflationsmonitors weitere Zinssenkungen für erforderlich: Mit aktuell 3,25 Prozent liege der Leitzins "noch deutlich im restriktiven Bereich. Damit verhindert die EZB vor allem dringend erforderliche Investitionen", warnt Tober. Die Notenbank solle daher "die Zinsen zügig aus dem restriktiven Bereich führen."
Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden. In einer Datenbank liefert der Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link unten).
Ärmere Familien mussten in fünf Jahren knapp 21 Prozent Inflation schultern
Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen, insbesondere Familien, von der starken Teuerung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine besonders stark betroffen waren, weil Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Energie in ihrem Budget eine größere Rolle spielen. Diese wirkten lange als die stärksten Preistreiber. Über den 5-Jahres-Zeitraum seit Oktober 2019 war die Teuerungsrate für einkommensschwache Familien mit 20,9 Prozent im Haushaltsvergleich am höchsten, gefolgt von Paaren mit Kindern und mittleren Einkommen, die eine Inflation von insgesamt 20,3 Prozent schultern mussten, und von Paaren ohne Kinder und mit mittleren Einkommen, deren Warenkorb sich um 20,3 Prozent verteuerte. Mit 18,1 Prozent hatten Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen die niedrigste längerfristige Teuerungsrate. Erschwerend kommt hinzu, dass Haushalte mit niedrigeren Einkommen wenig finanzielle Polster besitzen und sich die Güter des Grundbedarfs, die sie vor allem nachfragen, kaum ersetzen oder einsparen lassen.
Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Familien weniger stark als der Durchschnitt, weil sie wegen der Kinder häufig ein Auto haben, weshalb sich nicht nur die gesunkenen Preise für Haushaltsenergie, sondern auch für Kraftstoffe bei ihnen spürbar auswirken. Alleinlebende mit niedrigen Einkommen besitzen dagegen selten ein Auto. Daher liegt ihre Inflationsrate aktuell mit 1,7 Prozent etwas höher und auf dem gleichen Niveau wie bei Alleinlebenden mit mittleren bzw. höheren Einkommen. Dass wiederum Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 2,1 Prozent im Oktober - wie auch in den Monaten zuvor - eine etwas höhere Inflationsrate hatten als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass sie stärker als andere etwa Kfz-Versicherungen, Restaurantdienstleistungen, Pauschalreisen oder Hotelübernachtungen nachfragen, die in den vergangenen Monaten eine überdurchschnittliche Teuerungsrate aufwiesen. Das gilt, leicht abgeschwächt, auch für Paare mit Kindern und hohen Einkommen sowie für Paare ohne Kinder mit mittleren Einkommen, deren Warenkörbe sich um 1,9 bzw. 1,8 Prozent verteuerten.