Alter und Pflege sind drängende Themen für die Gesellschaft
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Das Thema „Älterwerden“ und damit verbundene Herausforderungen sind in Deutschland noch nicht ausreichend im Bewusstsein der Menschen verankert. Das zeigt eine aktuelle ADAC Umfrage. Insbesondere das Thema Pflege bleibt ein Tabu – viele schieben es auf und vergeben so die Chance auf rechtzeitige Vorsorge und Selbstbestimmung.
Die Umfrage erfasst die Ansichten von Menschen ab 50 Jahren (1097 Teilnehmer). Zusätzlich wurden 535 Teilnehmer (ebenfalls ab 50 Jahren) befragt, die sich in den vergangenen zwölf Monaten um Angehörige gekümmert haben oder kümmern; damit werden auch die speziellen Belastungen Pflegender beleuchtet.
Besorgniserregend: 39 Prozent der 1097 Befragten haben bisher keine der gängigen Informationsquellen zum Thema Pflege genutzt. Wenn, dann werden vor allem Gespräche mit Angehörigen und Freunden (23 Prozent), Beratungen beim Hausarzt (20 Prozent) und das Angebot von Krankenkassen (17 Prozent) genutzt. Nur gut die Hälfte der Befragten hat zudem eine Patientenverfügung (56 Prozent) und/oder Vorsorgevollmacht (52 Prozent). Besonders auffällig: Selbst in der Gruppe der Pflegenden liegen für 15 Prozent der Gepflegten keine Vorsorgevollmacht und für 19 Prozent keine Patientenverfügung vor.
Weit verbreitet hingegen ist die Sorge, im Falle einer Pflegebedürftigkeit Angehörigen zur Last zu fallen, sie treibt 57 Prozent der 1097 Befragten um. 42 Prozent befürchten zudem, dass ihre Angehörigen keine Zeit haben, sie zu pflegen.
Die besondere Belastung von pflegenden Angehörigen spiegelt sich auch in der Umfrage wider: Jede Vierte der pflegenden Personen reduziert aufgrund der Pflege ihre Arbeitszeit oder gibt ihren Job sogar ganz auf. „Die Gesellschaft muss das Thema ‚Pflege im Alter‘ dringend stärker ins Bewusstsein rücken, damit Betroffene und deren Angehörige früher informiert und vorbereitet sind“, so die Experten vom ADAC.
Neben der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Thema Pflege blicken viele Befragte wenig zuversichtlich in die Zukunft: Lediglich 29 Prozent äußerten sich optimistisch bezüglich des Älterwerdens. Besonders ausgeprägt ist der Pessimismus bei Geringverdienern (bis 1500 Euro Haushaltsnettoeinkommen/Monat): Nur 17 Prozent sehen der Zukunft optimistisch entgegen. Am stärksten fürchten die Befragten um die eigene Gesundheit (56 Prozent), gefolgt von finanzieller Sicherheit (21 Prozent) und Mobilitätsverlust (17 Prozent): Ein Großteil der Befragten ist überwiegend zu Fuß (60 Prozent) oder mit dem Auto (58 Prozent) unterwegs.
Auch für die Mehrheit der pflegebedürftigen Personen spielt das Auto eine große Rolle. 15 Prozent der Befragten gaben an, dass die von ihnen gepflegte Person noch eigenständig den Pkw nutzt, in Begleitung sind es 42 Prozent. Selbstständig legen die meisten Pflegebedürftigen (26 Prozent) Strecken zu Fuß zurück, 21 Prozent nutzen Taxis, auf den ÖPNV greifen unbegleitet nur acht Prozent zurück.
Gefragt nach den größten Schwierigkeiten im Straßenverkehr, wenn man mit pflegebedürftigen Personen unterwegs ist, gaben 62 Prozent der pflegenden Befragten zu wenige Parkplätze in der Nähe von Arztpraxen und Krankenhäusern an. Dahinter rangieren nicht-barrierefreie Gehwege (51 Prozent) und der schwierige Einstieg in Busse und Bahnen (42 Prozent).
Eindeutig ist das Bild bezüglich der Wohnsituation im Alter. Die Umfrage zeigt, dass zwei Drittel der Befragten trotz Unterstützungsbedürftigkeit in den eigenen vier Wänden bleiben möchten. Die Nachbarschaftshilfe spielt dabei eine wichtige Rolle: Über die Hälfte würde Haushalts- und Besorgungsdienste von Nachbarn annehmen. Nur ein Prozent der Befragten zieht ein Pflegeheim als Option in Betracht.
Der Wunsch, möglichst lange selbstständig zuhause zu leben, kann auch durch digitale Gesundheitsangebote unterstützt werden. Jeweils rund die Hälfte der über 1000 Befragten kann sich vorstellen, in Zukunft medizinische Assistenzleistungen wie die Terminvereinbarung über Doctolib oder einen digitalen Notfallpass zu nutzen, 25 Prozent stehen telemedizinischen Angeboten – wie sie zum Beispiel der ADAC mit der Medical App anbietet – offen gegenüber. Auch eine Pflege-App wird von einem Großteil (46 Prozent) als hilfreich bewertet; in der Gruppe der Pflegenden sprechen sich sogar 55 Prozent für eine solche App aus.
Die ADAC-Umfrage verdeutlicht den dringenden Bedarf an einer besseren Unterstützung von Senioren und pflegenden Angehörigen. Von Seiten der Politik ist aus Sicht des Mobilitätsclubs unter anderem eine stärkere Bezuschussung der hauswirtschaftlichen Unterstützung gefragt – über 83 Prozent der pflegenden Befragten gaben an, dies würde ihnen die Pflege erleichtern. Kommunen sollten sich dafür einsetzen, dass Nachbarschaftshilfen besser organisiert und unterstützt werden und die Verkehrsinfrastruktur an die Bedürfnisse von Pflegenden und Pflegebedürftigen angepasst wird. An die Krankenkassen richtet der ADAC die Forderung nach unabhängiger, proaktiver Beratung über geriatrische Angebote, den regelmäßigen Hinweis auf das Erfordernis wichtiger Dokumente wie eine Vorsorgevollmacht und die Digitalisierung von Prozessen und Formularen.
Aber auch der Verbraucher selbst ist gefordert. Das Leben im Alter sollte frühzeitig und langfristig geplant und das Thema Pflege als Familien-/Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden. Pflegebedürftige und Angehörige sollten von den Beratungsangeboten Gebrauch machen und digitale Apps nutzen, um bei der Informationssuche und Antragsstellung Zeit zu sparen und Stress zu reduzieren.
Autor: ADAC/kk