Update: Bundesrat entscheidet zum IPReG
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Der Bundesrat hat heute über das Gesetz zur Versorgung von Intensiv-Pflegebedürftigen, dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) beraten. Bereits am 2. Juli 2020 hatte der Bundestag das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet.
Mit dem Gesetz sollen nach amtlicher Begründung, Intensiv-Pflegebedürftige besser versorgt, Fehlanreize in der Intensivpflege beseitigt werden und die Selbstbestimmung der Betroffenen sollen gestärkt werden. Dabei sieht der Bundestagsbeschluss einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege im Fünften Buch Sozialgesetzbuch vor. Das Intensivpflegegesetz ist sehr umstritten so dass es zu Protesten kam, da viele Betroffene Angst haben in Heimen zwangseingewiesen zu werden.
Der Bundesrat hat dem Gesetz gemäß der Ausschussempfehlung zugestimmt.
In der Ausschussempfehlung heißt es ergänzend: "Darüber hinaus empfiehlt der Ausschuss die Annahme einer Entschließung, mit der die Bundesregierung gebeten werden soll, den Vollzug und die Auswirkungen des Gesetzes in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht eng zu begleiten, hierzu in angemessener Zeit die Ergebnisse zu veröffentlichen und bei Bedarf entsprechend gesetzgeberisch initiativ zu werden. Ferner soll die Bundesregierung gebeten werden, auch für die Anbieter ambulanter Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen Unterstützungsleistungen zur Abmilderung von Erlösausfällen aufgrund der Corona-Pandemie vorzusehen."
Zur Billigung des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes im Bundesrat erklärt Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Pflegepolitik von den Grünen:
„Heute ist mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz ein heftig umstrittenes Gesetz durch die Länderkammer gegangen. Wir werden genau beobachten, ob das Ziel des Gesetzgebers, die Qualität in der außerklinischen Intensivpflege zu erhöhen, erreicht wird. Und wir schauen kritisch darauf, welche Auswirkungen das Gesetz auf das Leben von Menschen mit Beatmungsbedarf haben wird. Es ist wichtig, dass beispielsweise in der Entwicklung von Richtlinien im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht nur der Wille des Gesetzgebers, sondern vor allem die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden. Wir machen uns deshalb für eine stärkere Einbindung von Betroffenen- und Selbsthilfeverbänden in den Entscheidungsgremien des Gesundheitssystems stark.“
„Das Intensivpflegegesetz (IPReG) gefährdet immer noch die Selbstbestimmung von Menschen mit Pflegebedarf. Sie können damit gegen ihren Willen in ein Heim eingewiesen werden. Trotzdem wird das Gesetz heute den Bundesrat passieren“, erklärt Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der 93. Sitzung des Bundesrates in Berlin. „Trotz aller erstrittenen Änderungen bleibt das Gesetz ein Risiko für die Betroffenen. Deshalb protestieren sie heute erneut, und diesen Protest unterstütze ich: Ein schlechtes Gesetz wird nicht dadurch gut, dass man die Bundesregierung bittet, seine Umsetzung eng zu begleiten und bei Bedarf gesetzgeberisch initiativ zu werden. Das muss die Regierung sowieso tun.“ Pia Zimmermann weiter: „Deshalb wenden sich heute sechs Bundestagsabgeordnete der Oppositionsparteien LINKE, GRÜNE und FDP in einem Offenen Brief an den Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Der G-BA erarbeitet die Richtlinie zur Umsetzung des IPReG. Diese Richtlinie muss ausschließen, dass Menschen mit Intensivpflegebedarf gegen ihren Willen in ein Heim eingewiesen werden. Es darf außerdem keine Leistungskürzungen in der Behandlungspflege geben. Diesen Brief habe ich unterschrieben. Und ich fordere, diese Richtlinie transparent zu erarbeiten. Die Betroffenen und ihre Initiativen müssen aktiv darin eingebunden werden. Betroffene sollen selbstbestimmt entscheiden können, wo und wie sie leben – auch wenn sie dauerhaft beatmet werden.“
Zur Abstimmung des Bundesrats über das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz erklären die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Westig und der teilhabepolitische Sprecher der FDP-Fraktion Jens Beeck:
WESTIG: „Es liegt nun am Gemeinsamen Bundesausschuss zu gewährleisten, dass das Intensivpflegegesetz das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Intensivpflegebedarf wahrt. Allerdings lässt der öffentlich gewordene Entwurf einer AIP-Richtlinie befürchten, dass die von Betroffenen, Verbändevertretern sowie uns als FDP-Fraktion gemeinsam mit Grünen und Linken erkämpften Änderungen am ursprünglichen Entwurf ausgehebelt werden. So würde den Betroffenen das Recht, selbst zu entscheiden, in welcher Wohnform sie leben möchten, faktisch wieder genommen. Auf keinen Fall dürfen Angehörige zusätzlich belastet werden, weil künftig weniger Intensivpflege verordnet wird. Denn das führt zwangsläufig dazu, dass Betroffene in stationäre Einrichtungen müssen, weil Angehörige diese Pflege ohne Unterstützung nicht stemmen können. Es ist und bleibt Aufgabe der Krankenkassen, die angemessene Versorgung der Intensivpflegepatienten zu gewährleisten – nicht die der Betroffenen oder gar ihrer Angehörigen.“
BEECK: „Die Hoffnungen von mehr als 20.000 betroffenen Menschen werden in den Mühlen der Zuständigkeiten zerrieben. Der Deutsche Bundestag hat das Selbstbestimmungsrecht der Patienten eindeutig im Gesetz festgeschrieben. Selbst dieser Minimalkonsens droht nun, unterlaufen zu werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Die FDP-Fraktion wird sich deshalb weiter für eine menschenwürdige Intensivpflege einsetzen.“
Die Bundesregierung teilt dazu in einer Pressemitteilung mit:
Die Anzahl der Menschen, die auch nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus intensiver Pflege bedürfen, steigt. Die Bundesregierung möchte deshalb mögliche Fehlanreize bei der Intensivpflege verhindern und eine Versorgung nach aktuellem medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Standard gewährleisten.
Häusliche Intensivpflege bleibt möglich
Das Gesetz fasst deshalb den Leistungsanspruch auf die sogenannte außerklinische Intensivpflege neu. Sie muss künftig von besonders qualifizierten Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden. Die Leistungserbringer müssen zudem spezielle Anforderungen erfüllen - etwa ein internes Qualitätsmanagement. Menschen, die etwa künstlich beatmet werden oder im Wachkoma liegen, sollen auch weiterhin zu Hause versorgt werden können.
Intensivpflege: Stationäre Behandlung wird bezahlbar
Gleichzeitig wird die vollstationäre Pflege bezahlbarer: Denn in entsprechenden Pflegeeinrichtungen zahlen Angehörige momentan einen Eigenanteil von bis zu 3.000 Euro pro Monat. Dieser Eigenanteil soll in Zukunft erheblich gesenkt werden.
Um mehr Patientinnen und Patienten von künstlicher Beatmung zu entwöhnen, setzt das Gesetz für Krankenhäuser neue Anreize: Für die Entwöhnung wird es eine zusätzliche Vergütung geben. Im Gegenzug müssen Krankenhäuser mit Abschlägen rechnen, falls keine Beatmungsentwöhnung veranlasst wird.
Reha-Maßnahmen: Schnell und unkompliziert
Wer krank oder verletzt ist, möchte seinen Alltag schnellstmöglich wieder selbst gestalten. Reha-Maßnahmen können dazu entscheidend beitragen. Daher sorgt das neue Gesetz dafür, dass Patientinnen und Patienten einen schnelleren und unkomplizierteren Zugang zu Reha-Maßnahmen haben.
Bei der Wahl ihrer Reha-Einrichtung genießen Versicherte in Zukunft mehr Freiheit: Entscheiden sie sich für eine andere als die von der Krankenkasse zugewiesene Einrichtung, müssen sie nur noch die Hälfte der Mehrkosten selbst tragen. Außerdem soll der Zugang zu geriatrischer Rehabilitation erleichtert werden. Diese Therapieangebote richten sich speziell an ältere Menschen. Wenn ein Vertragsarzt solch eine Maßnahme verordnet, überprüft die Krankenkasse von nun an nicht mehr, ob sie medizinisch erforderlich ist.
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung