Bundestag beschließt Höhere Behinderten- und Pflege-Pauschbeträge
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Der Deutsche Bundestag hat am heutigen Donnerstag den Gesetzentwurf über die Erhöhung der Behinderten- und Pflege-Pauschbeträge zugestimmt. Die Behinderten- und Pflege-Pauschbeträge sollen erhöht werden. „Die Erhöhung vermeidet in vielen Fällen den aufwendigen Einzelnachweis von Aufwendungen“, schreibt die Bundesregierung zur Begründung in ihrem zweiten Gesetzentwurf (19/21985). Damit könnten die Pauschbeträge ihre Vereinfachungsfunktion auch zukünftig erfüllen, heißt es weiter. Änderungen sind im Einkommensteuergesetz und in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung geplant.
Konkret sieht der Entwurf laut Bundesregierung eine „Verdoppelung der Behinderten-Pauschbeträge inklusive Aktualisierung der Systematik“ vor. Zudem soll ein behinderungsbedingter Fahrkosten-Pauschbetrag eingeführt werden. Bei einem Grad der Behinderung kleiner 50 soll künftig auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden.
Die FDP-Fraktion setzt sich für eine steuerliche Entlastung von Menschen mit Behinderung ein. Dabei fordert Sie In ihrem Antrag (19/18947) die Bundesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfs, mit dem der Pauschbetrag auch Menschen mit Behinderungen gewährt werden soll, deren Grad der Behinderung auf mindestens 25 festgestellt ist. Zudem soll der steuerliche Pauschbetrag deutlich angehoben werden. Der Pauschbetrag sei seit 1975 nicht mehr erhöht worden, obwohl sich die Preise gerade für medizinische Erzeugnisse, Geräte und Ausrüstungen seit Beginn der 1990er Jahre mehr als verdoppelt hätten.
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, heißt es Grundgesetz, darum seien Einschränkungen für Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 25 und 45 diskriminierend und daher aufzuheben.
Das neue Gesetz sieht vor, die Pauschbeträge in den einzelnen GdB-Stufen (GdB = Grad der Behinderung) zu verdoppeln. Bei einem GdB von 100 sind das zum Beispiel 2840 Euro statt bisher 1420 Euro Pauschbetrag, für blinde Menschen sowie Menschen, die rechtlich als „hilflos“ eingestuft sind, erhöht sich der Pauschbetrag auf 7400 Euro. Zudem sollen die Pauschbeträge bereits ab einem GdB von 20 in Anspruch genommen werden können, unter Verzicht auf das Vorliegen weiterer Anspruchsvoraussetzungen bei einem GdB kleiner 50. Weiterhin soll ein behinderungsbedingter Fahrtkosten-Pauschbetrag eingeführt werden.
Von der Anpassung der Pauschbeträge profitieren alle Menschen mit Behinderungen, die Einkommensteuer zahlen - dazu zählen unter anderem auch Eltern von Kindern mit Behinderungen sowie ihre Ehe- und Lebenspartner.
Darüber hinaus soll der Pflege-Pauschbetrag deutlich erhöht und ein Pflege-Pauschbetrag für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 eingeführt werden. Der Gesetzesentwurf geht nun, nach Stellungnahme durch den Bundesrat, in das parlamentarische Verfahren.
Der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Andreas Jung, und die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Antje Tillmann teilt zur 2/3 Lesung zum Pauschbetrag mit:
Andreas Jung: "Erneut verhindern wir schleichende Steuererhöhungen durch kalte Progression. Die Anhebung der Freibeträge und die Verschiebung des Steuertarifs zu Gunsten der Steuerpflichtigen entlastet vom Azubi bis zum Unternehmer alle Steuerzahler. Es wird auch in den kommenden Jahren keine zusätzliche Belastung aufgrund der Inflationsentwicklung geben. Zudem werden das Kindergeld und der Pauschbetrag für Menschen mit Behinderung deutlich erhöht. Gemeinsam mit der bereits beschlossenen Abschaffung des Solis für die allermeisten Menschen betragen die steuerlichen Entlastungen ab dem kommenden Jahr knapp 25 Milliarden Euro jährlich. Die Bürgerinnen und Bürger haben so mehr Geld in der Tasche - und das nutzt auch wieder der Konjunktur!"
Antje Tillmann: "Neben Investitionen in die Infrastruktur wie Kindergärten und Schulen werden in dieser Legislaturperiode besonders Familien finanziell stark entlastet. Mit der nun beschlossenen weiteren Erhöhung des Kindergeldes um 15 Euro und der Anpassung der Kinderfreibeträge setzen wir ein zentrales Anliegen des Koalitionsvertrages um. Dazu haben wir aufgrund der Corona-Situation mit dem Familienbonus, der Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende und der Verlängerung des Baukindergeldes Familien in der Krise geholfen. Mit dem Starke-Familien-Gesetz wurde bereits zuvor eine Milliarde Euro in den Kinderzuschlag investiert.
Neben der steuerlichen Entlastung für Familien war es der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch ein zentrales Anliegen, endlich die Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung zu erhöhen und somit an die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre anzupassen. Auch hier haben wir ein wichtiges Projekt des Koalitionsvertrags umgesetzt."
Jürgen Dusel begrüßte diesen Schritt bereits Ende Juli als lange überfällig:
„Die Beträge sind seit 45 Jahren nicht mehr angepasst worden. Deswegen freue ich mich sehr, dass das Bundesministerium der Finanzen unter Olaf Scholz meine Anregung aufgenommen und diesen wichtigen Schritt nun eingeleitet hat,“ so der Beauftragte. „Für mich geht es dabei um eine Frage der Steuergerechtigkeit, vor allem aber auch um ein wichtiges behinderten- und arbeitsmarktpolitisches Signal.
Denn viele Menschen mit Behinderungen gehen arbeiten und zahlen entsprechend Einkommensteuer, haben aber oftmals behinderungsbedingt höhere Aufwendungen. Durch Steuererleichterungen werden diese abgemildert. Dies ist ein konkreter Schritt hin zu dem Ziel, mehr Menschen mit Behinderungen auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen.“
Der Pflege-Pauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 soll laut Bundesregierung erhöht und für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 neu eingeführt werden. Der Pflege-Pauschbetrag soll künftig "auch unabhängig vom Vorliegen des Kriteriums 'hilflos' bei der zu pflegenden Person" geltend gemacht werden können, führt die Bundesregierung aus.
Die Bundesregierung hat dem Bundesrat den Entwurf als "besonders eilbedürftig" zugeleitet. Die Stellungnahme der Länderkammer und die Gegenäußerung der Bundesregierung werden nachgereicht. Der Nationale Normenkontrollrat kritisiert in seiner Stellungnahme, dass der Erfüllungsaufwand nicht dargestellt worden ist und dass die Bundesregierung keine Evaluierung der Behinderten-Pauschbeträge sowie des Fahrkosten-Pauschbetrags plant.
Ziel der Maßnahmen ist insbesondere auch zukünftig die Vereinfachungsfunktion des Behinderten-Pauschbetrags und des Pflege-Pauschbetrags sicherzustellen, Nachweispflichten abzubauen und die relevanten Grade der Behinderung beim Behinderten-Pauschbetrag möglichst mit dem Sozialrecht zu harmonisieren. Damit die Behinderten-Pauschbeträge auch zukünftig ihre Vereinfachungsfunktion im steuerlichen Massenverfahren erfüllen können, werden sie ab dem Veranlagungszeitraum 2021 prozentual einheitlich um 100 Prozent angehoben.
Der Gesetzentwurf wird jetzt dem Parlamentarischen Verfahren übergeben und das normale Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Die Neuregelungen sollen ab dem 1. Januar 2021 gelten und Ende 2026 evaluiert werden. Im Rahmen der Evaluierung soll im Vergleich zum Status Quo untersucht werden, in welchem Umfang der Pflege-Pauschbetrag für die häusliche Pflege von Personen mit Pflegegrad 2, 3, 4, oder 5 sowie für Menschen mit Behinderungen und dem Merkzeichen „H“ in Anspruch genommen wird.
Darüber hinaus soll die mit diesem Gesetz geänderte Systematik beim Pflege-Pauschbetrag bezogen auf den Erfüllungsaufwand für die Steuerpflichtigen, die für die Feststellung einer Behinderung und eines Pflegegrades zuständigen Stellen und die Verwaltungen einer näheren Betrachtung unterzogen werden und möglicher Handlungsbedarf aufgezeigt werden. Die Evaluierung ist ab Ende 2026 vorgesehen, weil ab diesem Zeitpunkt die entsprechenden Daten zur Einkommensteuerstatistik 2021 vorliegen dürften.
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Angelika Glöckner (SPD), Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen: „In Deutschland gibt es rund zehn Millionen Personen mit Behinderungen und circa 1,7 Millionen Pflegebedürftige, die ausschließlich von ihren Angehörigen betreut werden. Diesen Menschen wollen wir konkret im Alltag helfen, indem wir sie sowohl finanziell als auch von aufwendigen Nachweispflichten entlasten. Als SPD-Bundestagsfraktion war uns dabei besonders wichtig, dass die Pauschbeträge in Zukunft evaluiert werden. Die Betroffenen sollen nicht noch einmal über vier Jahrzehnte auf eine steuerliche Besserstellung warten müssen. Die Behinderten-Pauschbeträge werden auf sämtlichen Stufen verdoppelt und die Systematik aktualisiert. So erhöht sich der Pauschbetrag bei einem Grad der Behinderung von 100 Prozent beispielsweise von 1.420 auf 2.840 Euro. Bei einem Grad der Behinderung kleiner als 50 Prozent soll zudem auf die bisherigen zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden. Zusätzlich können Betroffene in Zukunft auf den aufwendigen Nachweis von einzelnen Fahrtkosten verzichten, da ein neuer Pauschbetrag eingeführt werden soll. Schließlich wird der Pauschbetrag für die Pflege von Menschen mit den Pflegegraden vier und fünf deutlich von 924 Euro auf 1.800 Euro erhöht und erstmals wird ein neuer Pauschbetrag für die Pflegegrade zwei und drei in Höhe von 600 Euro beziehungsweise 1.100 Euro eingeführt.“
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung