Angriff auf Forderungen von Mindestlohn in Werkstätte für behinderte Menschen
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„Ich habe 6,5 Stunden am Tag in einer Werkstatt gearbeitet. Diese Werkstattart macht in Deutschland acht Milliarden Umsatz im Jahr. Dennoch zahlt man mir und meinen Kolleg*innen für unsere Arbeit nur 1,35 Euro die Stunde. Es ist für niemanden möglich, davon zu leben, weswegen wir dann auch Grundsicherung vom Staat brauchen. Das kann man mit uns machen, weil wir eine Behinderung haben.“, so beginnt der Petitionstext einer Petition von Lukas Krämer, in der für behinderte Menschen, die in Werkstätten arbeiten, der Mindestlohn gefordert wird. ( wir berichteten )
Diese Petition hat auf der Petitionsplattform „Change.org“ bereits über 100.000 Unterschriften erzielen können.
Ein Frontalangriff auf die Petition, kommt jetzt von „Werkstatträte Deutschland e.V.“, die ein Basisgeld fordern, welches 70 % vom Durchschnitts-Lohn betragen soll. Werkstatträte Deutschland e.V. distanziert sich sogar vom Inhalt der Petition, wie in einer Stellungnahme nachzulesen ist.
Etwas verwunderlich sind die Forderungen nach dem Basisgeld. Wenn man etwas nachrechnet, liegt dieses über den Mindestlohn. Der über die Petition geforderte Mindestlohn liegt bei 9,36 Euro Stundenlohn. Das Basisgeld, geht von 70% des Durschnittlohn (18,62 Euro bei Frauen pro Stunde – Quelle: Statistisches Bundesamt ) aus, was ein Basisgeld von 13,04 Euro (70%) pro Stunde entsprechen würde. Damit ist die Forderung von „Werkstatträte Deutschland e.V.“ höher als der Mindestlohn und trotzdem schreibt der Verein Werkstatträte Deutschland e.V.: “Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglichen auf absehbare Zeit kaum Spielraum für die Zahlung von Mindestlöhnen.“
„Richtig ist, dass Menschen in Werkstätten definitiv zu wenig Geld verdienen!“, schreibt Werkstatträte Deutschland e.V. und betont weiter: „Hier muss sich unbedingt etwas verändern. Wir begrüßen jeden Vorschlag, der ein auskömmliches Entgelt in Werkstätten zum Ziel hat. Wichtig zu prüfen ist jedoch, welche Auswirkung oder Nachteile die Forderung nach einem bestimmten System, wie zum Beispiel dem Mindestlohn hat.
Diese Prüfung findet gerade in einer Studie, beauftragt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) statt. Hier werden alle aktuellen Fakten zum jetzigen Entgeltsystem wissenschaftlich erhoben und verschiedene Alternativen (wie auch Mindestlohn und Basisgeld) begutachtet. Ende 2023 wird hierzu ein Ergebnis feststehen und die Bundesregierung mit der Umsetzung beauftragt. Wir sind ungeduldig und wünschen uns hier auch schnellere Lösungen. Wir verstehen aber auch, dass man die Auswirkung von Änderungen am Entgeltsystem sorgfältig prüfen muss, damit die Menschen in Werkstätten danach nicht schlechter gestellt sind. Wir beteiligen uns konstruktiv in der Steuerungsgruppe zu dieser Studie, um eine möglichst gute Lösung aus Sicht der Beschäftigten zu finden.“
Im Ergebnis gibt es somit zwei Lösungsansätze. Der eine von Lukas Krämer in seiner Petition und der andere Vorschlag von Werkstatträte Deutschland e.V.
Beide Ansätze haben das Ziel eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die Frage der Finanzierbarkeit, muss seitens der Bundesregierung gelöst werden, denn ein Sozialstaat muss solche Kosten mittragen. Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention, ist auch Deutschland eine Verpflichtung eingegangen, deren Umsetzung zu lange dauert.
Problematisch jedoch, könnte es bei einer Forderung werden, bei der die Vergütung der erbrachten Leistung als Stundenlohn, über den des Mindestlohns liegt. Das zu lösen, wird Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein und ob es hier zu einer Lösung kommt, wird stark von der Zusammensetzung der neuen Regierung abhängig sein.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung