Mangelnde Wertschätzung: Kein Mindestlohn für behinderte Menschen in Werkstätten
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Vielen Menschen ist es nicht bewusst, wie viel Produkte genutzt werden, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen produziert werden. Das fängt beim einfachen Kugelschreiber an, bei Wasserhähnen in der Wohnung, bis hin zu Teilen, die sich im Auto befinden.
Dabei werden in den Werkstätten etwa 8 Milliarden Euro an Umsatz generiert. Im Schnitt arbeiten die rund 300 Tausend Beschäftigten in den Werkstätten, 6,5 Stunden täglich. Eigentlich sollte man erwarten, dass für die Produktion solcher hochwertigen Produkte, die Beschäftigten in den Werkstätten, auch entsprechend entlohnt werden. Dem ist aber nicht so. Es gibt kein Mindestlohn und vielen Werkstattbeschäftigten bleibt nichts anders übrig, als ihr Gehalt mit Grundsicherung aufzustocken. Der Grund ist dabei die Bezahlung, die zwischen 1,35 Euro bis 2 Euro in der Stunde liegt.
In dem Filmbeitrag (hier klicken) wird deutlich, dass man seitens der Politik sich zwar einig ist, dass hier politisch etwas getan werden muss, doch was am Ende wirklich für Maßnahmen umgesetzt werden sollen, um das Entgelt in den Werkstätten anzupassen, darüber besteht keine Einigkeit. Für den Bundestagsabgeordneten der CDU, Peter Weiß, ist Mindestlohn in den Werkstätten kein Thema. Wer Mindestlohn will, soll in den ersten Arbeitsmarkt gehen, so Peter Weiß und betont dabei: „Rein oder raus“. Doch für die Mitarbeiter:Innen ist es meist fast unmöglich in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Von den 300 Tausend beschäftigen, schaffen es etwa 1 Prozent in den ersten Arbeitsmarkt.
Der UN-Staatenbericht aus dem Jahr 2015, fordert sogar eine Abschaffung der Werkstätten und bewertet die Werkstätten eher als völkerrechtlich bedenklich.
Das Institut für Menschenrechte, welches auch die Monitoringstelle in Deutschland für die UN-Behindertenrechtskonvention ist, redet in ihrem Positionspapier sogar von „Mangelnde Wertschätzung der Arbeit behinderter Menschen in Werkstätten“.
Ganz anders hingegen die Position des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) welches klar darstellt: „Nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ist die Beschäftigungsform der Werkstätten für behinderte Menschen neben anderen Formen wie den Inklusionsbetrieben oder dem Budget für Arbeit auch in Zukunft notwendig“. Dabei begründet das BMAS dieses mit der Notwendigkeit, „den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen individuell gerecht zu werden“.
Vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist allerdings bewusst, dass Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, eigentlich nur als Rehaeinrichtungen vorgesehen ist. Wie jeder weiß, bedeutet „Reha“ auch, dass es sich um eine „Integrationsmaßnahme“ mit zeitlicher Begrenzung handelt mit der Zielsetzung der Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Für viele Menschen (99%) wird aus der Integrationsmaßnahme allerdings eine Dauermaßnahme.
Sicherlich gibt es Menschen mit Behinderungen in Werkstätten, die eine besondere Unterstützung (Assistenz) benötigen, um überhaupt arbeiten zu können. Für diese Menschen sind Werkstätten oft die einzige Möglichkeit, überhaupt einer Arbeit nachgehen zu können, so die Meinung vieler. Allerdings gibt es auch Inklusionsbetriebe, die allerdings noch nicht bundesweit existieren. Eine weitere Hürde, um in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, ist die mangelnde Bereitschaft oder die fehlenden Anreize, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Zwar gibt es zu erfüllenden Quoten für Unternehmen, die sicherstellen sollen, dass ein vorgeschriebener Prozentsatz der Beschäftigten, einen Grad der Behinderung haben soll, allerdings sind die damit verbundenen Zahlungen der Unternehmen, wenn die Quote nicht erfüllt wird, eher gering.
Somit bleibt die Forderung nach Mindestlohn in Werkstätten, die unter Anderem von dem Aktivist Lukas Krämer immer wieder gestellt werden, weiterhin bestehen.
„Man muss ein Einkommen oberhalb der Grundsicherung erwerben können, auch in der Werkstatt.“, betont Ulla Schmidt von der Lebenshilfe e.V.
Corinna Rüffer, von den Grünen betonte: „Diese Leute haben ein Recht darauf von der Arbeit, die sie leisten am Ende des Monats auch leben zu können und nicht den demütigen Gang hinzulegen, um Grundsicherung beantragen zu müssen“
Selbst der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, vertritt die Meinung, „dass Menschen, die in Werkstätten arbeiten, jeden tag arbeiten gehen und da auch ein Job machen, dass die auch tatsächlich am Ende des Monats ausreichend Geld auf der Hand haben müssen.“
Der Abgeordnete Wilfried Oellers (CDU) will hingegen „zunächst einmal abwarten was das Sachverständigengutachten sagt und welche Empfehlungen ausgesprochen werden.“ Glaubt man Oellers, ist die Bezahlung in den Werkstätten gar nicht so schlecht: „Das Werkstätten Entgelt setzt sich aus vielen verschiedenen Bausteinen zusammen und wenn man alles zusammenrechnet, kommt man auf einen Betrag in Höhe von etwa 1500 bis 1600 Euro, die die Menschen mit Behinderung als Werkstatt beschäftigte monatlich zur Verfügung haben.“ – Wie Oellers das berechnet hat, ist nicht bekannt und für Menschen in Werkstätten, die mit Grundsicherung aufstocken müssen, sicherlich auch nicht nachvollziehbar.
Wie die politische Position der Parteien und Verbände zur Bezahlung in den Werkstätten ist, damit befasst sich der folgende Filmbeitrag:
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung
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