Scheitert die Teilhabe und damit die UN- Behindertenrechtskonvention?
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In aller Munde ist das Wort Teilhabe, Gleichberechtigung und Gleichstellung behinderter Menschen, doch reden und Realität liegen oft weit auseinander. Das fängt im öffentlichen Leben an. Wo in einigen Städten Deutschlands real erfassbar ist, dass hier Menschen mit Behinderung nicht nur willkommen sind, sondern bereits integrativer Bestandteil, sieht das in Städten, wie Hamburg schon ganz anders aus. Das fängt bereits mit der einfachen Herausforderung des Aufsuchens einer öffentlichen Toilette, die auch mit dem Euroschlüssel noch freien Zugang bietet. In Hamburgs Flaniermeilen, mehr als Mangelware und in Städten wie Berlin, problemlos.
Ähnlich verhält es sich vielerorts mit den barrierefreien Zugängen zum ÖPNV. In einigen Städten, "springen" die Busfahrer, wenn sie an den Haltestellen, jemand mit Rollstuhl sehen. In anderen Städten, wie Hamburg, verlässt man sich auf die Fahrgäste, so nach dem Motto, das macht schon jemand.
Ein ganz anderes Thema sind die Behindertenwerkstädten. Einrichtungen die es behinderten Menschen ermöglichen sollen, eine Tätigkeit nachzugehen. Leider sind diese Werkstädten nur für wenige ein Einstieg um dann in der Freien Wirtschaft tätig werden zu können. Behindertenwerkstädten sind wichtige Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Aber sind sie ein realer Beitrag zur Teilhabe? Im Deutschen Mittelwert liegt monatliche Durchschnittseinkommen bei etwa 181 Euro (Stand 2016). Einen Mindestlohn gibt es nicht. "Werkstätten sind nach § 219 SGB IX verpflichtet, ihnen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt zu bezahlen.". Was angemessen ist, bleibt Interpretationssache. Aus sicht eines Wirtschaftsunternehmens muss man auch die Frage stellen, woher das "Mehr Geld" kommen soll?
Auch das Institut für Menschenrechte hat sich zu dem Thema in einer Analyse geäußert (hier als PDF- Download) : "Neben diesen Beispielen für eine positive Wende in der Behindertenpolitik sind aber in den letzten zehn Jahren auch Umsetzungsprobleme zu beobachten. Sonderstrukturen für Menschen mit Behinderungen in Deutschland nehmen immer noch einen besonderen Stellenwert ein. Große Wohneinrichtungen, Sonderkindergärten und -schulen, Fördereinrichtungen und Werkstätten galten traditionell als Errungenschaft des deutschen Wohlfahrtsstaates, die ein beschütztes Leben ermöglichten sollten. Sie platzierten die Menschen jedoch weitestgehend an den Rand der Gesellschaft. Diese „Sonderwelten“ bestehen, auch wenn Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen heute eine größere Rolle spielt, bis heute fort und sind in der vergangen Dekade bisweilen sogar ausgebaut worden. Sie stehen dem der UN-BRK zugrundeliegenden Verständnis von Inklusion jedoch grundlegend entgegen. Den Erhalt von exkludierenden Sonderwelten kritisieren auch die Vereinten Nationen, weil sie darin die Gefahr erkennen, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderungen künstlich auf Orte und Wege am Rande der Gesellschaft festgelegt und damit in der Realisierung eigener Lebensentwürfe massiv eingeschränkt werden. "
"Dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, selbst über ihr Leben zu bestimmen und gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein, ist in den letzten zehn Jahren zunehmend ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt", sagt Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Zahlreiche Menschen aus Politik und Verwaltung, aus Verbänden und verschiedenen Professionen hätten sich engagiert an die Umsetzung der UN-Konvention gemacht. "Es ist in den letzten zehn Jahren allerdings nicht gelungen, das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen zum Normalfall und Sondereinrichtungen wie Förderschulen, Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen überflüssig zu machen", so Aichele weiter. Dennoch zeigten gute Beispiele, dass es bisweilen beträchtliche Fortschritte gebe und dass Inklusion praktisch möglich sei.
Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland rund 9,4 Prozent der Bevölkerung, also 7,8 Millionen Menschen, amtlich als schwerbehindert anerkannt. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen nach der UN-Konvention auch Personen mit langfristigen chronischen Erkrankungen, psychosozialen oder anderen Beeinträchtigungen, deren Teilhabechancen aufgrund gesellschaftlicher Barrieren reduziert sind. Legt man diesen Behinderungsbegriff zugrunde, erhöht sich der Anteil an Menschen mit Behinderungen an der Gesamtbevölkerung nach Angaben des ersten Teilhabeberichts der Bundesregierung auf bis zu 25 Prozent. Bei 25% müsste jedem klar sein, dass es sich hier um keine zu ignorierende "Minderheit" mehr handelt, sondern das Menschen mit Behinderung einen großen Teil unserer Gesellschaft ausmachen.
Es sind 10 Jahre her, wo seitens Deutschland die UN- Behindertenrechtskonvention unterzeichnet wurde. Unsere Politik ist ""stolz auf geschaffenes", wenn auch mit dem Bewusstsein, dass noch viel getan werden muss. Am Beispiel Hamburg, sieht man aber deutlich, welchen Stellenwert Behinderte Menschen in vielen Städten wirklich haben. Gerade wenn, wie Hamburg als Beispiel zeigt, dann eine Stadt eine Internetseite online hat (barrierefreies Hamburg) die am Ende veraltete Informationen bereit hält, denn die Seite zeigt bspw. öffentliche Behinderten- Toiletten an, die nicht einmal den Zugang per Rollstuhl ermöglichen, geschweige einen Euroschlüssel zulassen. Wenn dann diese Toiletten auch noch ab 22:00 Uhr geschlossen werden, ist das kein Beitrag zur Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe. Die UN- Behindertenrechtskonvention ist dann eben doch nicht so einfach und die Frage muss nach 10 Jahren gestattet sein, ob die Umsetzung nicht in vielen Teilen bereits gescheitert ist, wenn es der Politik nicht gelungen ist, nach 10 Jahren die politischen Rahmen richtig zu setzen.