Höhere Krankenkassenbeiträge - Scharfe Kritik an Lauterbach
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Der Bundestag hat heute am Freitag, dem 23 September 2022, über das GKV-Stabilisierungsgesetz zur finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung beraten. Drucksache: (20/3448). Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.
Die Bundesregierung will mit dem Gesetzentwurf die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen stabilisieren. Durch verschiedene Maßnahmen soll die Finanzierungslücke in Höhe von geschätzt 17 Milliarden Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung geschlossen werden. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass der GKV-Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte steigen könnte. Dieser Zusatzbeitrag wird zur Hälfte von den Versicherten getragen. Scharfe Kritik zur Anhebung der Kassenbeträge gab es bereits im Vorfeld.
Die VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärt dazu: „Wir lehnen den Gesetzentwurf ab – so wie viele andere übrigens auch, etwa der Bundesrat und die Kassen selbst. Er verbessert die Finanzlage der Krankenkassen nicht dauerhaft. Vor allem darf es keine Erhöhung der Beiträge für die Versicherten geben, sie wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein besonders fatales Signal. Gerade Menschen mit kleinen Einkommen leiden sehr stark unter der hohen Inflation und den immer weiter steigenden Energiepreisen. Durch die lange Corona-Pandemie sind viele bereits in große finanzielle Not geraten. Ein höherer Beitrag zur Krankenversicherung, der im kommenden Jahr noch oben drauf kommen könnte, ist schlicht unzumutbar. Die Menschen machen sich jeden Tag große Sorgen, wie sie ihre Wohnung heizen sollen, wie sie Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs noch zahlen können. Sie können keine weiteren Belastungen mehr schultern.
Abgesehen davon hält der VdK die Erhöhung für keine geeignete Lösung. Die Bundesregierung muss erst andere dauerhafte Mittel ergreifen. Es ist dringend notwendig, dass der Bund gesellschaftspolitische Leistungen der GKV direkt aus Steuermitteln bezahlt. Dazu gehören etwa die Familienversicherung, das Mutterschaftsgeld oder Leistungen für Bezieher von Arbeitslosengeld II. Außerdem muss endlich die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden. So könnte das Finanzloch in der GKV gestopft werden, ohne dass die Versicherten stärker belastet werden.“
Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte heute in seiner Rede im Bundestag zum GKV-Gesetz das er keine Leistungskürzung wolle in einer Zeit in den Menschen durch steigende Preise belastet sind. In dieser Zeit sein Kürzungen der Gesundheitsversorgung nicht vermittelbar. „Wir müssen in solch einer Zeit zusammenhalten,“ betonte Lauterbach. So wird das Pflegebudget im Krankenhaus bereinigt, es werde die Kostendeckung direkt erstatte, so Lauterbach.
Auch habe man bei der Arzneimitteltherapie dafür gesorgt, dass neue Medikamente mit hohen Preisen eingeführt werden, diese werde nur noch in Deutschland passieren, somit sei Deutschland der innovationsfreundlichste Farmermarkt in ganz Europa, so der Minister. „Nach der Reform ist vor der Reform,“ betonte Lauterbach. Man brauche langfristig eine wesentliche Strukturreform der Art und Weise wie die Krankenversicherung bezahlen. So habe man Effizienzreserven mobilisiert, die in keine Fall zu einer Verschlechterung der Versorgung führen werden, sagte Lauterbach. Zudem werde man für die erheblichen Energiekosten in den Krankenhäusern, die Inflationskosten, die Mehrbelastungen in der Pflege bei den Eigenanteilen Vorschläge vorbringen, so Lauterbach. Zum Schluss appellierte Lauterbach die GKV-Reform zu unterstützten.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat vor einem Zusammenbruch der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gewarnt und eine stärkere Finanzierung der Krankenkassen durch den Bund gefordert. Bei einer Rede im Bundestag pochte Holetschek am Freitag in Berlin deshalb auf Korrekturen im geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Der Minister betonte: „Der Gesetzentwurf der Ampel-Koalition ist kein Finanz-Stabilisierungsgesetz, sondern ein Versorgungs-Destabilisierungsgesetz. Das ist angesichts von Rekord-Inflation und explodierenden Energiekosten grob fahrlässig, denn letztlich gefährdet die Bundesregierung damit die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verpasst mit diesem Gesetzentwurf eine Chance, die GKV-Finanzen tatsächlich und langfristig zu stabilisieren.“
Holetschek sprach als Vertreter des Bundesrates für die Unions-Fraktion direkt im Anschluss an Bundesminister Lauterbach. Der bayerische Gesundheitsminister erläuterte: „Mit dem Gesetzentwurf der Ampel-Koalition steuern wir mit Ansage auf einen Kassen-Crash zu. Ausbaden müssen dies dann die Versicherten, die mit stärkerer Belastung rechnen müssen. Das können wir nicht wollen.“
Der Minister betonte: „Die Krankenkassen befinden sich in einem Strudel steigender Kosten. Ich sehe die Gefahr von Kassenschließungen und weiterer Konzentration. Das führt schlimmstenfalls zu explodierenden Beiträgen und eingeschränkten Leistungen. Ich nehme Bundesgesundheitsminister Lauterbach in die Verantwortung, dass beides nicht geschieht.“
Holetschek warnte zudem vor geplanten Einsparungen im Arzneimittelbereich. Der Minister sagte: „Die Bundesregierung gefährdet die Versorgungssicherheit. Eine Vielzahl an Preisregulierungen droht Investitionen abzuwürgen. Ziel sollte aber stattdessen sein, den Pharmastandort Deutschland weiter zu stärken. Das ist auch eine zentrale Lehre aus der Pandemie.
Holetschek ergänzte: „Bayern setzt sich bereits seit Wochen dafür ein, dass die Bundesregierung die immer stärkere finanzielle Belastung der Krankenhäuser, Reha- und ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen auffängt. Deswegen haben wir auch vergangene Woche eine entsprechende Bundesratsinitiative wegen der außerordentlichen Steigerungen bei Energie- und Sachkosten gemeinsam mit Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein eingebracht.“
Die Unabhängige Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland e.V. kritisiert die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur Abschaffung der Neupatienten-Pauschale scharf. Wie UVSD-Vorsitzende Heike Norda mitteilt, würden mit dem geplanten Gesetz erhebliche Nachteile für Menschen geschaffen, welche aus gutem Grund und rechtlichem Anspruch einen Arztwechsel im Sinne der freien Arztwahl vollziehen wollen: "Auch alle, die sich erstmals bei einem Haus- oder Facharzt vorstellen möchten, könnten künftig abgewiesen werden und im schlimmsten Fall gar keine Behandlung außerhalb des Notfalls mehr finden. Denn es ist zu erwarten, dass die Praxen beim Wegfall des Zuschusses ihre Sprechzeiten begrenzen und somit Vorwände dafür schaffen, keine neuen Patienten mehr aufzunehmen zu können". Das würde die Versorgungssicherheit in Deutschland weiter gefährden und es sei Aufgabe und Pflicht der Selbsthilfe, als niederschwellige Patientenstimme gegen diesen vorgesehenen Kahlschlag zu protestieren, sagt Norda.
UVSD-Sozialberater Dennis Riehle ergänzt hierzu: "Gerade für Schmerzbetroffene ist solch ein Schritt dramatisch, weil schon jetzt in der Peripherie Neurologen und Algesiologen fehlen und eine adäquate Schmerztherapie oftmals nur noch in den großen Städten vorhanden ist". Schlussendlich sei es auch schlechter politischer Stil, ein von der Vorgänger-Regierung unter SPD-Beteiligung beschlossenes Gesetz in wichtigen Teilen wieder rückgängig zu machen. "Gerade von einem Sozialdemokraten hätte ich mehr Weitsicht und Einfallsreichtum erwartet, die Gesetzliche Krankenversicherung grundständig zu reformieren, statt an der Versorgungslandschaft die Axt anzulegen. Immerhin hat Prof. Lauterbach noch vor einiger Zeit versichert, dass es mit ihm keine Leistungsreduzierung geben werde. Schlussendlich stellt die Abschaffung der Neupatienten-Pauschale aber nichts Anderes als eine Beschränkung des ärztlichen Gestaltungsspielraums und insofern eine Minderung des medizinischen Angebots dar".
Norda und Riehle fordern den Minister deshalb auf, die Versorgung der Patienten nicht durch Streichung von Anreizen zu mehr ärztlicher Präsenz zu gefährden und appellieren stattdessen zu strukturellen Veränderungen in der Finanzierung der GKV: "Die Einnahmen müssen durch eine breitere Einbeziehung von bislang privat Versicherten gesteigert, die Ausgaben durch Entbürokratisierung und Digitalisierung, Vermeidung von Doppeluntersuchungen und eine stärkere Reduktion der Arzneimittelpreise durch einen intensivierten Wettbewerb, Deckelungen und mehr Rabattverträge verringert werden". Im letztgenannten Bereich sei man aus Sicht der UVSD auf gutem Weg, so der Verein abschließend.
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung