Bundesregierung plant Verschärfung des Völkerstrafrecht
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Die Bundesregierung plant eine Verschärfung des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB). Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/9471) hat der Bundestag heute am Donnerstag, dem 30. November 2023, im Parlament beraten. Die Vorlage wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte heute im Bundestag, dass der 24. Februar 2022 und der 7. Oktober 2023 zwei Tage seien, die sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben. Es herrscht wieder Krieg in Europa, und ein weiterer Krieg steht vor den Toren Europas. Wir hatten gehofft, dass wir als Menschheit weiter wären, aber wir haben uns getäuscht. Wir denken an die Betroffenen, trauern mit den Opfern, aber wir sind nicht machtlos.
Der Minister setzte klar der barbarischen Gewalt etwas entgegen, das uns von Terroristen unterscheidet: das Recht. Dafür erhielt er Applaus aus dem Plenum. Wir haben aus der Geschichte des Jahrhunderts gelernt, und gerade unser Land, das an Schuld beladen ist, hat dazu einen Grund. Nirgendwo dürfen sich Kriegsverbrecher sicher fühlen, und ich möchte angesichts der Geschichte unseres Landes hinzufügen: Nirgendwo dürfen sich Kriegsverbrecher sicher fühlen, gerade in Deutschland.
Unser Land sieht es daher als Pflicht an, bei der Verfolgung von Kriegsverbrechern eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wir wollen die Verbreitung wegweisender deutscher Völkerstrafrechtsprozesse fördern. Dafür müssen Medienvertreter über solche Prozesse informiert werden und berichten können. Wie soll sonst die Botschaft des Rechts in aller Welt vorangetrieben werden? Deshalb stellen wir künftig sicher, dass Medienvertreter, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, auf eine Verdolmetschung zurückgreifen können. Das ist Fortschritt, meine Damen und Herren, betonte Buschmann.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, weitere Tatbestände der sexualisierten Gewalt explizit im Normentext zu nennen. Dazu gehören nach dem Entwurf unter anderem die Tatbestandsalternativen des "sexuellen Übergriffs", der "sexuellen Sklaverei", des "Gefangenhaltens eines unter Zwang geschwängerten Menschen" sowie des "erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs". Die Anpassung soll laut Entwurf auch auf bereits vorgenommene Änderungen im Strafgesetzbuch reagieren.
Die erweiterten Tatbestandsalternativen sollen sowohl beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Paragraph 7 VStGB) als auch beim Kriegsverbrechen gegen Personen (Paragraph 8 VStGB) Anwendung finden. Zusätzlich soll laut dem Entwurf "die sexuelle Orientierung als unzulässiger Grund für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft durch Entziehung oder wesentliche Einschränkung grundlegender Menschenrechte" aufgenommen werden.
Die Bundesregierung begründet diese Änderungen damit, dass das Völkerstrafrecht in den letzten Jahren sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene zunehmend an Bedeutung gewonnen habe. Insbesondere der massive Einsatz sexualisierter Gewalt habe zu einem gesteigerten Bewusstsein für die Lückenhaftigkeit des bestehenden deutschen Völkerstrafrechts geführt.
Der Gesetzentwurf sieht auch eine Anpassung an das zwischenzeitlich geänderte Römische Statut vor. Demnach soll der Tatbestand des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung (Paragraph 12 VStGB) um die Tatbestandsalternativen "der Verwendung von Waffen, deren Splitter mit Röntgenstrahlen nicht erkennbar sind, und der Verwendung von dauerhaft blindmachenden Laserwaffen" erweitert werden.
Zusätzlich sollen durch den Entwurf die Rechte von Opfern gestärkt werden. Eine Änderung in der Strafprozessordnung ermöglicht es Opfern künftig, auch bei Völkerstraftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch als Nebenkläger oder Nebenklägerin aufzutreten, was bisher nur bei Taten nach dem Strafgesetzbuch möglich war.
Um die Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Prozesse und Urteile zu verbessern, plant der Entwurf, dass Verfahren in Völkerstrafrechtssachen künftig "für wissenschaftliche und historische Zwecke" aufgezeichnet werden dürfen.
Im Strafgesetzbuch soll zudem das "Verschwindenlassen von Personen" als neuer Tatbestand eingeführt werden, unter dem Paragraphen 234b. Für Taten dieser Art ist grundsätzlich eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorgesehen.