Bericht fordert Reform des Antidiskriminierungsrechts
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Am Arbeitsplatz sexuell belästigt, bei der Wohnungssuche rassistisch beleidigt, bei der Jobsuche wegen einer Behinderung aussortiert das deutsche Antidiskriminierungsrecht hilft Menschen in vielen Fällen von Diskriminierung nicht. Das geht aus dem neuen Lagebericht zu Diskriminierung hervor, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeinsam mit den zuständigen Beauftragten alle vier Jahre dem Deutschen Bundestag vorlegt.
„Der Bericht zeigt, dass Menschen besser vor Diskriminierung geschützt werden müssen. Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hilft ihnen oft nicht, auch wenn sie eindeutig diskriminiert worden sind. Die Diskriminierungserfahrungen in Deutschland belasten Betroffene und gefährden unsere Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, erklären die Beauftragten.
Im Berichtszeitraum von 2021 bis 2023 wendeten sich rund 20.600 Ratsuchende an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie berichteten von Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder wegen der sexuellen Identität. Besonders häufig meldeten sich Betroffene, die rassistisch oder antisemitisch diskriminiert wurden. Die Zahl der Beratungsanfragen steigt kontinuierlich an. Doch längst nicht alle Fälle werden gemeldet. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. In repräsentativen Untersuchungen berichten je nach Umfrage 16 bis 30 Prozent der Bevölkerung von Diskriminierungen.
Fortschritt statt Stillstand: AGG jetzt reformieren
Die Antidiskriminierungspolitik in Deutschland bleibt deutlich hinter EU-Standards zurück. Die Beauftragten kritisieren den unzureichenden Schutz und fordern, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) endlich zu reformieren, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Die Beauftragten fordern zeitnah unter anderem diese zentralen Verbesserungen:
- Menschen vor Diskriminierungen durch staatliche Stellen schützen
Derzeit sind Bürger*innen nicht überall vor Diskriminierung geschützt. Werden sie etwa auf Ämtern, bei der Polizei oder durch die Justiz benachteiligt, können sie sich mit dem AGG nicht dagegen wehren – anders als im Supermarkt oder Restaurant. Das wird der Vorbildfunktion des Staates nicht gerecht. Um auch hier einen effektiven Schutz für Betroffene zu gewährleisten, sollte der Anwendungsbereich des AGG auch staatliches Handeln umfassen.
- Schutzlücken schließen – Rassismus und Antisemitismus entgegenwirken
Das AGG schützt zudem nicht, wenn Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Dadurch entstehen Schutzlücken und begünstigen rassistisch, antisemitisch und antiziganistisch motivierte Benachteiligungen. Um unter anderem israelbezogene antisemitische Diskriminierungen wirksamer bekämpfen zu können, sollte das Merkmal „Staatsangehörigkeit“ unter den Schutz des AGG fallen.
- Barrieren abbauen und Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz vorbeugen
Die Beauftragten fordern die Bundesregierung auf, Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen sicherzustellen. Sie müssen endlich für alle Menschen zugänglich sein. Eine Chance, Barrieren zu überwinden, bietet dabei die Digitalisierung. Sie birgt jedoch auch neue Diskriminierungsrisiken. Besonders Menschen mit Behinderungen und ältere Personen benötigen Diskriminierungsschutz im digitalen Raum. Denn Algorithmen und KI-Systeme treffen in vielen Bereichen automatisierte Entscheidungen, die Diskriminierung begünstigen können. Ein modernes Antidiskriminierungsrecht muss deshalb auch vor den Risiken digitaler Diskriminierung schützen.
Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung:
„Unser Land steckt in einer Diskriminierungskrise. Millionen von Menschen haben Angst um ihre Zukunft. Angesichts der Wahlerfolge für Rechtsextreme ist es wichtiger denn je, Menschen effektiv vor Hass und Ausgrenzung zu schützen. Es ist Arbeitsverweigerung, wenn die Bundesregierung das nicht