Bundesumweltministerin zum Mauerfall-Jubiläum: Freiheit aktiv verteidigen
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Die aus Dessau in Sachsen-Anhalt stammende Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat 35 Jahre nach der friedlichen Revolution und dem Fall der Mauer 1989 betont, dass die Deutschen in Ost und West weiter für die Freiheit kämpfen müssten. „Wir müssen einen sozialen Ausgleich in unserem Land organisieren“, sagte die Grünen-Politikerin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das ist ein langer Prozess und ein dauernder Kampf. Demokratie bekommt man nicht geschenkt – auch nicht nach einer friedlichen Revolution. Wenn wir frei bleiben wollen, müssen wir dafür kämpfen.“ Lemke fügte hinzu, „dass viele Freiheit als etwas Selbstverständliches verstehen, etwas, das immer da ist. Wenn man die Abwesenheit von Freiheit erfahren hat, schätzt man sie möglicherweise mehr.“
Mit Blick auf die Tatsache, dass im Bundeskabinett von 54 Minister- und Staatssekretärsposten nur fünf von Ostdeutschen besetzt sind, sagte die Ministerin: „Die beiden deutschen Teile wären sicher besser zusammengewachsen, wenn man in den 1990er-Jahren mehr Ostdeutsche in Führungspositionen gebracht hätte, sei es in Universitäten, der politischen Verwaltung oder Vorständen von Unternehmen. Doch dieser Fehler lässt sich heute leider nicht mehr reparieren.“
Überdies hätten Ost- und Westdeutsche „viele Fehler gemeinsam gemacht. Etliche liegen im Vereinigungsprozess, der in weiten Teilen Ostdeutschlands mit Recht als reiner Anschluss wahrgenommen wurde und nie als gleichberechtigter Prozess. Die folgenden Strukturbrüche und ihre Konsequenzen, die bis heute reichen, konnten wir damals alle nicht übersehen. Das würde ich weder den Ostdeutschen noch den Westdeutschen als Versagen zuschreiben.“
Lemke konnte in der DDR nur unter Schwierigkeiten Abitur machen und hat 1989 die ostdeutschen Grünen mitgegründet.
Die autorisierte Interview-Passage im Wortlaut:
Wenn Sie einen Strich unter die letzten 35 Jahre ziehen: Was haben dann die Ost- und was die Westdeutschen falsch gemacht?
Ich suche lieber nach dem Verbindenden als nach den Trennenden. Und ich denke, dass wir viele Fehler gemeinsam gemacht haben. Etliche liegen im Vereinigungsprozess, der in weiten Teilen Ostdeutschlands mit Recht als reiner Anschluss wahrgenommen wurde und nie als gleichberechtigter Prozess. Die folgenden Strukturbrüche und ihre Konsequenzen, die bis heute reichen, konnten wir damals alle nicht übersehen. Das würde ich weder den Ostdeutschen noch den Westdeutschen als Versagen zuschreiben.
Jetzt ist es so, wie es ist. Wie kann es denn wieder besser werden mit der Demokratie und mit dem Ost-West-Verhältnis?
Indem die demokratischen Parteien Politik progressiv gestalten und dabei Rücksicht nehmen auf Zukunftsängste und Sorgen, die die Menschen im Alltag haben – ohne Notwendigkeiten wie den Klimaschutz auszublenden. Denn wir sehen in vielen Teilen der Welt, welche verheerenden Auswirkungen die Klimakrise schon heute hat. Zudem dürfen wir die Ängste nicht in der Gestalt ernst nehmen, dass wir die Bedrohung Russlands gegenüber der Demokratie und dem Westen ignorieren und die Ukraine allein lassen. Wir müssen einen sozialen Ausgleich in unserem Land organisieren. Das ist ein langer Prozess und ein dauernder Kampf. Demokratie bekommt man nicht geschenkt – auch nicht nach einer friedlichen Revolution. Wenn wir frei bleiben wollen, müssen wir dafür kämpfen.
Für viele Deutsche scheint Freiheit gar kein besonderer Wert zu sein.
Ich denke eher, dass viele Freiheit als etwas Selbstverständliches verstehen, etwas, das immer da ist. Wenn man die Abwesenheit von Freiheit erfahren hat, schätzt man sie möglicherweise mehr. Für mich ist Freiheit nicht ersetzbar und auch nicht verhandelbar.
Im Bundeskabinett sind von 54 Minister- und Staatssekretärsposten nur fünf von Ostdeutschen besetzt. Wäre das Ost-West-Verhältnis besser, wenn ihr Anteil höher wäre?
Die beiden deutschen Teile wären sicher besser zusammengewachsen, wenn man in den 1990er-Jahren mehr Ostdeutsche in Führungspositionen gebracht hätte, sei es in Universitäten, der politischen Verwaltung oder Vorständen von Unternehmen. Doch dieser Fehler lässt sich heute leider nicht mehr reparieren.