Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit ......
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Vor zwei Jahren hätte ich noch folgendes gesagt:
Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit, habe eine tolle Familie, einen Mann der mich liebhat, Kinder, Eigentumswohnung, tollen Job. Alles perfekt - naja fast alles, seit ca. vier Jahren habe ich Zwangsstörungen, immer und immer wieder muss ich mich kontrollieren, besonders schlimm ist es auf der Arbeit, abschalten und das Wochenende oder einen Urlaub genießen geht nicht mehr, aber das ist bestimmt nur eine Phase ...
Ein halbes Jahr später wurde diese "Phase" immer schlimmer. Hinzu kamen Panik- und Angstattacken - ich erkannte mich nicht wieder, die die sonst mit beiden Beinen im Leben steht bekommt Zustände beim Einkaufen, Autofahren, Telefonieren etc. Ich konnte meine Veränderung merken, konnte sie aber nicht oder nur schwer in Worte fassen. Ich saß zitternd auf der Arbeit, immer in halb acht Stellung - die Angst vor Fehlern machte mich schier wahnsinnig, hinzu kam dann noch das meine rechte Gesichtshälfte sobald ich aufgeregt war, taub wurde.
Irgendwann fiel mir dann auf das ich immer öfters an Selbstmord dachte, weil der Druck der sich in mir aufbaute immer schlimmer wurde.
An einem Dienstag - den 15. Dezember 2015 - stand ich morgens weinend unter der Dusche - mein Mann hörte mich - sagte zieh dich an - wir fahren zum Arzt - kaum in der Praxis bin ich weinend zusammengebrochen, ich wusste nicht warum, ich wusste nur das ich - nicht mehr ich bin - ich wurde direkt krankgeschrieben. Ich war noch nicht mal in der Lage bei meinem Arbeitgeber anzurufen, das musste mein Mann für mich erledigen. Ich war nur noch fähig zu atmen und zu schlafen. Dennoch war mir bewusst das ich Hilfe brauchte, ich telefonierte Therapeuten ab, vergeblich, immer wieder sprang der AB bei ihnen an - keine Warteliste - Warteliste voll - Termine erst in zwei Jahren, ich bat meine Krankenkasse vergeblich um Unterstützung - fand dann eine Therapeutin ohne Kassenärztliche Zulassung - Rücksprache mit der Krankenkasse - sie sind kein Härtefall übernehmen wir nicht - also beschlossen wir, dass wir sie selbst zahlten, ich brauchte dringend Hilfe!
Ich versank in meiner Depression, es gab viele schlechte und ab und an gute Tage, aber dank Unterstützung meiner Therapeutin bekam ich mich, wie ich finde - ziemlich schnell wieder in den Griff. Nette Sprüche von meiner Chefin wie - du bist eine ganz große Enttäuschung oder Anrufe von der Krankenkasse führten allerdings schnell wieder dazu das ich im Bett landete und ich Tage, manchmal Wochen mit mir kämpfen musste um wieder ein bissel auf die Bahn zu kommen. Zum 31. Juli 2016 wurde verständlicherweise mein Arbeitsvertrag nicht verlängert.
Ein halbes Jahr später...
Meine Omi fragte mich ob ich eine Nacht bei ihr schlafen könnte, da sie diese Nacht nicht alleine bleiben wollte - ich sagte zu...
Die Nacht war unruhig, ständig wurde ich wach, ich fühlte mich immer schwerer, ich war froh als ich morgens nach Hause konnte. Nachdem die Kinder in die Schule sind, habe ich mir meinen Hund geschnappt - ich musste laufen - viel, weit, Hauptsache dieses beklemmende Gefühl lässt irgendwann nach.
Auf einmal kam er - wie ich heute weiß - mein erster Flashback - ich gehe nicht näher ins Detail.
Heute weiß ich das es mein Opi war, der Missbrauch begann als ich zwei war und endete als ich acht war - aktuell - wer weiß was da noch kommt...
Nach einem MDK Besuch im September wurde ich schnell in Reha geschickt - meine Erwerbsunfähigkeit war extrem gefährdet etc. - als ich vorher meine Krankenkasse um Hilfe bat mich hierbei zu unterstützen sahen sie keine Notwendigkeit.
Ich wurde arbeitsunfähig aus der Reha entlassen, Behinderten Grad sowie eine Teilhabe am Arbeitsleben habe ich in der Reha bereits beantragt.
Ich wurde am 21. Dezember aus der Reha entlassen, leider hatte meine Hausärztin bereits ihren wohlverdienten Weihnachtsurlaub angetreten. Ich haderte lange mit mir ob ich zum Vertretungsarzt gehen könnte, ich habe es nicht geschafft, zu viele Trigger, zu viel Angst und Panik, ich konnte einfach nicht. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht was das für Kreise mit sich zieht.
Noch am selben Tag schickte ich sämtliche Unterlagen der Reha, die ich für die Krankenkasse erhalten hatte, sowie einen Zettel das meine Ärztin sich bereits im Urlaub befindet, dorthin. Schnell erhielt ich Post, dass die Unterlagen eingegangen sind und das ich unterschreiben müsse, damit sie sich die gesamten Unterlagen aus der Klinik zusenden lassen können. Gesagt getan - gleich an ihrem ersten Arbeitstag ging ich zu meiner Hausärztin die mich weiterhin krankschrieb - dann folgte Wochen später der Anruf der Krankenkasse, dass ich eine Lücke in der Krankmeldung habe, dass ich ab November nicht mehr krankengeldberechtigt bin - eine Lücke? - nie gehört, aber ich habe sie erwischt - Arbeitslosengeld - Fehlanzeige, da ich weiter Arbeitsunfähig bin - Nahtlosregelung? Fehlanzeige - da ich nicht ausgesteuert wurde - ich stehe aktuell seit neun Monten ohne Geld da, was wir haben ist das Einkommen meines Mannes, meine Therapiestunden musste ich arg runterschrauben, weil es finanziell nicht drinnen ist.
Meine Krankenkasse beruft sich darauf, dass ich durch die Lücke in die Familienversicherung gerutscht bin und dadurch keinen Anspruch mehr auf Krankengeld habe. An diesem Punkt wurde ich stutzig, immerhin hat diese mir im August 2016, als mein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, mitgeteilt das ich nun Familienversichert bin, ich habe eine neue Gesundheitskarte erhalten und auch weiterhin mein Krankengeld. Dass dieses Schreiben falsch war und ich mir deswegen wahrscheinlich nicht weiter Gedanken und/oder mir in den Hintern getreten habe um die Trigger, Angst und Panik in Kauf zu nehmen um einem fremden Arzt wieder meine Geschichte, meine PTBS zu erklären - interessiert - richtig - niemanden -
Bis auf meine Eltern, meinen Mann und meine Kinder habe ich niemanden mehr. Der Rest der Familie hat sich abgewendet, kommt damit nicht klar, dass ich darüber spreche was passiert ist - immerhin wurde es von einigen Jahrelang geheim gehalten, das macht es für mich noch unfassbarer als es eigentlich sowieso schon ist? Wie kann man dazuschauen? Wie kann man da nicht eingreifen? Ich war ein Kind - unfähig mich auszudrücken, - er hat mir jahrelang eingeredet, dass er der einzige ist der mich liebt, dass meine Eltern nur einen Grund suchen um mich endlich abzugeben - wenn ich es erzähle hätten sie endlich einen -
Ich befinde mich seit zwei Wochen in einer Teilhabe am Arbeitsleben, merke das ich damit jetzt schon überfordert bin, meine Zwänge, meine Ängste, meine Panik werden immer schlimmer - aber ich muss durchhalten - ich bekomme, wenn ich Glück habe und der Träger anerkennt, dass ich eine Klage gegen die Krankenkasse laufen habe, Übergangsgeld, wenigstens ein bisschen was zum Leben beitragen.
Ich bin ein Traumatisiertes Erwachsenes Kind - was durch seine Angst, die so mächtig ist - nicht fähig war zum Arzt zu gehen, bestraft - weder ein MDK Gutachten, welches ein paar Wochen vorher erstellt wurde, weder Entlassungsbericht noch ein Schreiben meiner Ärztin interessiert meine Krankenkasse - es geht nur ums Geld - der Mensch und seine Geschichte ist egal - ich habe meine Krankenkasse von Anfang mit ins Boot genommen, - das einzige was sie gemacht haben ist mich sofort abzusägen -
Wenn sie uns auch ihre Geschichte erzählen wollen, dann können sie dieses hier tun: Ihre Geschichte