Internationaler Tag der Pflegenden: Inhalte des Koalitionsvertrags endlich umsetzen
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Am 12. Mai wird jedes Jahr der Internationale Tag der Pflegenden gefeiert. An diesem Tag wird von vielen Politiker*innen die Profession Pflege gefeiert und sprachlich wertgeschätzt. Und es wird von der Politik viel versprochen. „Gemessen an den Taten ist die Verfallzeit der Worte meist jedoch kurz. Auch sind Versprechungen alleine wertlos. Sie müssen endlich umgesetzt werden“, macht Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), in Berlin deutlich.
´Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.´ Große Worte stehen im Titel des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition auf der Bundesebene. Viele gute Vorhaben für die Profession Pflege sind benannt.
Der Deutsche Pflegerat hat diese Inhalte bei der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages als ´Meilensteine´ bezeichnet. Die Koalitionäre selbst stellen in ihrem Vertrag klar: ´Der Dramatik der Situation in der Pflege begegnen wir mit Maßnahmen, die schnell und spürbar die Arbeitsbedingungen verbessern´.
Christine Vogler weiter: „Heute, sechs Monate später, herrscht angesichts der Umsetzung des Vertrags große Ernüchterung. Ein Bundesgesundheitsminister, der offensichtlich nur ´Pandemie´ kann, schadet der pflegerischen Versorgung nachhaltig. Politisch vergessen sind offensichtlich die im Koalitionsvertrag getätigten Versprechen, die Zuversicht sowie Hoffnung geschürt haben und nun Enttäuschung säen.
Wir haben bei der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages deutlich gemacht, dass die schnelle Umsetzung guter Arbeitsbedingungen über das Hier und Jetzt der Pflege und über die derzeitige Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land entscheidet, die bereits während der Pandemie sichtbar und spürbar gefährdet wurden. Doch es fehlt wieder einmal mehr die Umsetzung dessen, was versprochen wurde. Den Ankündigungen folgten bislang keine Taten der Politik, ja nicht einmal konsequente Signale, dass die Umsetzung dessen überhaupt gewollt ist.
Der Deutsche Pflegerat fordert ein partnerschaftliches Umgehen mit der Profession Pflege ein. Dazu gehört endlich auch eine regelmäßige Kommunikation mit der Profession und deren Vertreter*innen, die das Bundesgesundheitsministerium vermissen lässt. Auch muss die Profession Pflege umgehend überall dort einbezogen und ein Mitsprache- und Abstimmungsrecht bekommen, wo sie von Entscheidungen betroffen ist.“
An die politisch Verantwortlichen gewandt betont Vogler: „Stärken Sie den Deutschen Pflegerat endlich durch finanzielle und personelle Mittel und schaffen Sie Gesetze, die eine adäquate Mitsprache im Gesundheitswesen ermöglichen! Sie müssen nicht zaubern können, sondern schlicht und einfach gutes und professionelles politisches Handeln für die Profession Pflege umsetzen. Auch über den 12. Mai hinaus“.
Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat die Bundesregierung anlässlich des „Internationalen Tags der Pflegenden“ am 12. Mai zu mehr Tempo bei der Pflegereform aufgefordert. Holetschek betonte am Mittwoch: „Nur zufriedene Pflegekräfte können unser Gesundheitssystem aufrechterhalten und dafür sorgen, dass sich die Pflegebedürftigen wohlfühlen. Das gilt sowohl für die Fachkräfte in der Langzeitpflege als auch für die Beschäftigten in den Krankenhäusern. Die Pflegekräfte leisten Großartiges.“
Der Minister ergänzte: „Das verdient allerhöchste Anerkennung und Dank – nicht nur am Internationalen Tag der Pflegenden. Dank alleine reicht aber nicht aus: Wir brauchen dringend eine Struktur- und Finanzreform der Pflegeversicherung. Bis auf Ankündigungen hat die Bundesregierung allerdings nach wie vor nicht viel vorangebracht. Dabei müssen die Weichen spätestens jetzt richtig gestellt werden, bevor wir die pflegerische Versorgung nicht mehr sicherstellen können. Deshalb fordere ich den Bund erneut auf, endlich die notwendigen Schritte für eine umfassende Reform einzuleiten. Wir müssen konsequent vereinfachen, flexibilisieren und entlasten! Wir können es uns nicht leisten, dass Pflegebedürftigen, Pflegekräften und Pflegeanbietern die Zeit fehlt, sich um die bestmögliche Versorgung zu kümmern, weil sie mit zu komplizierten Strukturen beschäftigt sind.“
Bereits im März 2021 hatte Gesundheitsminister Holetschek die Eckpunkte für eine zukunftsfeste Pflegereform vorgelegt. Holetschek betonte am Mittwoch: „Klar ist, dass wir mehr Pflegekräfte brauchen. Nicht nur weil die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 erheblich steigen wird, sondern auch weil zahlreiche Pflegekräfte in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen werden. Die Frage ist also: Wie können wir ausreichend gut qualifiziertes Personal gewinnen und dieses dann auch im Pflegeberuf halten?“
Der Minister fügte hinzu: „Um das Ziel zu erreichen, muss noch aktiver für den Beruf der Pflegekräfte geworben werden. Im Herbst werde ich daher eine Kampagne starten, welche die Profession und Professionalität der Pflegenden in den Vordergrund stellt.“
Der Minister unterstrich: „Mit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung und der Akademisierung der Pflege ist bereits ein wichtiger Schritt in Richtung Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs gemacht worden. Die Einrichtungen müssen nun die Möglichkeiten nutzen, insbesondere die refinanzierte qualifizierte Praxisanleitung und einen attraktiven Ausbildungsplan – in enger Zusammenarbeit über einzelne Träger und Sektoren hinweg. Außerdem müssen wir die Kompetenzen der Pflegefachpersonen besser nutzen.“
Holetschek erläuterte: „Das heißt konkret: Der Pflegeberuf muss als Gesundheitsfachberuf anerkannt werden! Zudem müssen den Beschäftigten attraktive Aufgabengebiete eröffnet werden, die ihren Kompetenzen gerecht werden. Hierzu gehört für mich auch die Möglichkeit der selbständigen Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten – zum Beispiel im Rahmen der Wund- oder Schmerzbehandlung, der Behandlung von Menschen mit Demenz oder der Diabetesbehandlung.“
Holetschek unterstrich: „Ich freue mich, dass der Bund nun endlich eine langjährige Forderung Bayerns umgesetzt hat: die flächendeckende Zahlung von Tariflöhnen. Aber das alleine reicht nicht aus. Ich setze mich nachdrücklich dafür ein, dass Zuschläge für Wochenend- und Nachtarbeit und für Überstunden steuerlich stärker begünstigt werden. Bayern hat hierzu jüngst eine Bundesratsinitiative eingebracht.“
Der Minister ergänzte: „Um die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern, ist aber auch eine Verlässlichkeit bei den Arbeitszeiten notwendig. Ich höre immer wieder von Pflegekräften, dass sie es nicht mehr schaffen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Das muss sich ändern, damit die Pflegekräfte nicht nach ein paar Jahren ausgelaugt und frustriert aus dem Beruf aussteigen.“
Dr. Magnus Jung betont in diesem Jahr gemeinsam mit Staatssekretärin Bettina Altesleben vor allem die Reformen, die die Pflege im Saarland zukünftig formen werden: „Die vergangenen zwei Jahre haben nicht nur gezeigt, welchen Rückhalt die Pflege für unsere Gesellschaft bedeutet, sondern auch, in welchem Zustand sie sich befindet. Zwischen den hohen qualitativen Anforderungen an die Pflege einerseits und den aktuellen Arbeitsbedingungen andererseits herrscht ein klares Ungleichgewicht. Unsere Aufgabe und unser erklärtes Ziel ist es, die Pflege im Saarland wieder mit einer bedarfsgerechten Personaldecke, geregelten Arbeitszeiten, mehr Handlungsmöglichkeiten, einer besseren Ausbildung und Bezahlung zukunftsfähig zu machen.“
Dagmar Schmidt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD: „Alle Menschen in Deutschland müssen sich darauf verlassen können, dass sie im Alter gut gepflegt werden. Unser Ziel ist es, dass alle Pflegebedürftigen möglichst lange zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld gepflegt werden können, sofern dies der Wunsch der Person und der Familie ist und dies auch sicher geleistet werden kann. Pflegende Angehörige sollen Familie, Pflege und Beruf besser vereinbaren können. Dafür werden wir das Pflegegeld erhöhen und dynamisieren. Um die Leistungen schnell leichter zugänglich zu machen, werden wir außerdem ein flexibles Entlastungsbudget einführen. Wir wollen zudem eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige schaffen, die ähnlich wie das Elterngeld echten Ausgleich schafft und pflegenden Angehörigen Sicherheit gibt.“
Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD: „Millionen Menschen arbeiten in ambulanten Diensten, Krankenhäusern, Pflegeheimen, bei der Behindertenhilfe, in Reha- und Palliativeinrichtungen. Ihre Arbeitsbedingungen wollen wir konsequent verbessern. Dafür braucht es bedarfsgerechte Personalschlüssel. Klar ist, die Berufe in der Pflege haben Zukunft. Wir werden sie dafür rüsten: Durch digitalen Fortschritt und durch mehr Selbstständigkeit – zum Beispiel durch Delegation von Heilkundeaufgaben an Pflegekräfte, und durch Harmonisierung der Assistenzausbildung, um durchlässige Karrierewege in der Pflege zu schaffen. Sowie durch eine angemessene Mitsprache in der Selbstverwaltung, denn Pflege muss mitreden, wenn es um ihre Fachexpertise geht.
Und wir verbessern die Bezahlung. Aktuell bereiten wir die Umsetzung eines wichtigen Meilensteins vor: In wenigen Monaten werden Tarifverträge zum Standard für die Bezahlung in der Altenpflege. Dieser Tag der Pflegenden soll Auftakt sein für eine Legislaturperiode der Pflege. Dafür setzen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion ein.“
Janine Wissler, Vorsitzende der Partei DIE LINKE betont: "Der Internationale Tag der Pflege soll die Arbeit der Pflegekräfte würdigen, die weltweit kranke und alte Menschen versorgen. Doch weder solche Tage noch Applaus reichen aus, um die verantwortungsvolle und unersetzliche Arbeit der Pflegekräfte angemessen zu würdigen. Die Privatisierung des Gesundheitswesens hat die Arbeitsbedingungen seit Jahrzehnten massiv verschlechtert. Pflegekräfte werden vor allem als Kostenfaktor gesehen, an dem gespart wird, wo immer es geht, damit die Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen möglichst viel Gewinn bringt. Personalmangel wurde zum Normalzustand. Dabei blieb vieles auf der Strecke, was gute Pflege auszeichnet.
Die Corona-Pandemie traf mit voller Wucht auf das kommerziell ausgezehrte Gesundheitswesen und hat den bereits überlasteten Beschäftigten noch mehr abverlangt.
Menschenwürdige Pflege kann und darf nicht auf Profit ausgerichtet sein. DIE LINKE fordert 100 000 Pflegekräfte in den Krankenhäusern und 100 000 Altenpflegekräfte mehr, dazu 500 Euro mehr Grundgehalt. Die vielen schon ausgebildeten Pflegekräfte sollen mit attraktiven Arbeitsbedingungen für den Beruf zurückgewonnen werden."
Autor: dm / © EU-Schwerbehinderung