Hartz IV : 91.000 Sanktionen bei Alleinerziehenden
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Im Jahr 2018 wurden von den Jobcentern 91.000 Sanktionen gegenüber alleinerziehenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ausgesprochen. Das ist das Ergebnis (19/14586) aus einer Anfrage der FDP (19/13892). Weiterhin wird von der Bundesregierung betont, dass sie derzeit keine Anhaltspunkte für einen Aufklärungsbedarf bei Jobcentern in Bezug auf Einkommensarmut und Kindeswohlgefährdung sieht.
In der Anfrage ging es unter Anderem um diese Thematik: "In manchen Jobcentern erfolgt bei einer drohenden oder verhängten Sanktion eine automatisierte Meldung an das zuständige Jugendamt zur Überprüfung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt."
In der Frage: "Hält die Bundesregierung ein solches Vorgehen im Allgemeinen für sinnvoll, um Alleinerziehende wieder in Beschäftigung zu bringen?" antwortete die Bundesregierung: "Das einzelfallbezogene Handeln der Jobcenter soll dazu beitragen, eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu vermeiden. Die allgemeinen Bemühungen der Jobcenter um eine Beschäftigungsaufnahme und Unterstützungen bei der Beendigung der Hilfebe-dürftigkeit bleiben davon unberührt."
Weiterhin stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort dar: "Ein Bezug von Arbeitslosengeld II führt nicht früher oder später zu einer Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 8a SGB VIII oder des § 1666 BGB. Der Bezug von Arbeitslosengeld II stellt keinen Indikator für eine Kindeswohlgefährdung dar – aber Armutslagen können das Risiko einer Kindeswohlgefährdung erhöhen."
Genau hier ist vermutlich die unterschiedliche Sichtweise der Konflikt. Gerade weil die Bundesregierung bereits seitens der UN angemahnt wurde, dass die Grundsicherung in Deutschland sehr gering ist, machen solche Aussagen seitens der Bundesregierung nicht gerade glaubwürdig. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass Sanktionierungen neu geregelt werden müssen (wir berichteten), jedoch war aus den Debatten im Bundestag (wir berichteten) deutlich zu erkennen, dass die Abschaffung der Sanktionen seitens der Regierungsparteien eher nicht zu erwarten ist.
Wie eine Statistik zeigt sinkt in Deutschland das Armutsrisiko für Kinder.
Grund zur Entwarnung gibt es aber deshalb lange noch nicht. Denn solange bereits Sanktionen in einigen Regionen als Kindeswohlgefährdung betrachtet werden, ist für die betroffenen Eltern auch die Gefahr da, dass ihnen die Kinder weggenommen werden. Dabei ist ist leider aus der Antwort der Bundesregierung nicht zu erkennen, warum es zu den Sanktionierungen gekommen ist. Gerade allein erziehende stehen immer wieder vor der Herausforderung, zum einem dem Jobcenter gerecht zu werden, aber auch den Ansprüchen des Kindes gerecht zu werden. Da kann ein Vorstellungsgespräch, welches am Nachmittag liegt, zum Problem führen, wenn die Aufsichtspflicht nicht verletzt werden soll. Nicht immer steht sofort jemand parat um das Kind für die Zeit des Vorstellungsgespräches zu versorgen.
Ähnliche Problemstellungen müssen allein erziehende auch immer wieder erleben, wenn es um die Durchführung von weiterbildenden Maßnahmen geht, die oft in die Nachmittagsstunden hinein gehen und somit viele allein erziehende dazu zwingen, die Fortbildungsmaßnahme abbrechen oder erst gar nicht durchführen zu können. Nicht selten kommt es dadurch beim Jobcenter zu Vorwürfen der "mangelnden Mitwirkungspflicht". Hier wäre es wünschenswert, wenn die Fallmanager*in mehr auf die Situation allein erziehender eingehen und das wirklich "Mögliche" auch berücksichtigen würden. Am Ende geht es um Kinder, die schon im Gesetz als Schutzbefohlene gelten und dieser Schutz wird nicht selten durch Jobcenter "Aufgehoben", in dem Maßnahmen durchgeführt werden, die nicht der individuellen Situation eines allein erziehenden Elternteils und ihrem Kind(ern) angepasst sind.
Autor: Redaktion / © EU-Schwerbehinderung