Existenznot: Grundsicherung ignoriert Menschen und Familien mit Erwerbsminderung
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Die Fragestunden im Deutschen Bundestag sind immer wieder legendär, denn in diesen müssen sich Politikerinnen und Politiker, den Fragen der Abgeordneten des Parlaments stellen. Häufig lassen sich die Bundesministerinnen und Minister durch ihre parlamentarischen Staatssekretäre vertreten.
Manchmal sind es aber die Bundesministerinnen oder Minister, die selbst Rede und Antwort stehen. Der Bundesarbeits- und Sozialminister, Hubertus Heil (SPD), hat sich in der am 10. Mai stattgefundenen Regierungsbefragung, den Fragen der Mitglieder des Parlaments gestellt.
Eine Aussage von Heil, ließ aber aufhorchen, denn diese Aussage bezieht sich auf die Grundsicherung, also jene Menschen, die Leistungen nach SGB XII beziehen. Das sind Menschen, die entweder wegen einer Erwerbsminderung nicht mehr erwerbstätig sind, meist Menschen mit Behinderungen, aber auch Menschen, die ihre Rentenbezüge mit Grundsicherung aufbessern müssen.
Heil betonte darin: „Aber vor allen Dingen ist es unser Ziel – und das mag vielleicht ein bisschen unterschiedlich bei uns sein –, Menschen nicht in der Grundsicherung verharren zu lassen, sondern rauszuführen und dafür zu sorgen, dass Arbeit sich lohnt“. Dem voraus wurde von Jessica Tatti (Die Linke): „über einem Jahr leben wir jetzt in einer heftigen Inflation, insbesondere bei Energie und Lebensmitteln. Es ist gerade für Menschen mit kleinem Einkommen sehr schwierig, überhaupt irgendetwas einzusparen. Beim Bürgergeld ist die regelsatzrelevante Inflation mittlerweile bei über 12 Prozent angekommen. Die Ökonomin Becker hat in einer Studie für den DGB festgestellt, dass der reale Kaufkraftverlust in der Grundsicherung innerhalb des letzten Jahres wirklich riesig war, also bei arbeitslosen Alleinstehenden 475 Euro, bei arbeitslosen Paaren mit zwei Kindern fast 1 600 Euro. Da fehlt im Geldbeutel also das Geld für einen kompletten Monat. Sie prellen diese Menschen bisher um einen Ausgleich. Deshalb meine Frage: Werden Sie eine Sonderzahlung auf den Weg bringen, oder ist es Ihnen einfach egal, dass die Menschen im Bürgergeld schlechter dastehen als vorher mit Hartz-IV.“
Vermutlich mag sich der Bundesarbeitsminister in seiner Formulierung eher auf das Bürgergeld beziehen wollen, aber so zeigt die Aussage, wie die Vermischung zwischen Grundsicherung und Bürgergeld noch heute politisch stattfindet.
Menschen mit Behinderungen, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiten, oder Menschen, die nicht mehr erwerbsfähig sind, können alleine von der Grundsicherung und mittlerweile kaum noch ihren Lebensunterhalt bestreiten, sind oft auf Unterstützungen und Spenden von Hilfsorganisationen wie etwa auf die Tafel angewiesen. Dabei sind es gerade diese Menschen, die sich trotz allen Willen gerne wieder am ersten Arbeitsmarkt wieder finden, eben keine Chance für einen Arbeitsplatz haben, da oft der Gesundheitszustand dieses verbietet.
Die Menschen, die in einer Werkstatt für Behinderte Menschen tätig sind, sogar am ersten Arbeitsmarkt arbeiten könnten, finden oft keinen Arbeitsplatz. Dabei fehlt es nicht am Willen, sondern eher am mangelnden Angebot.
Ein weiteres Thema war die Kindergrundsicherung. Ein Instrumentarium, das Kinderarmut vermeiden und für Kinder die Bildungschancen erhöhen soll. Bereits heute sind viele Eltern nicht mehr in der Lage, Ihre Kinder mit notwendiger Technik auszustatten, damit die Teilhabe am Unterricht gesichert ist, denn viele Unterrichtseinheiten lassen sich heutzutage nicht mehr ohne entsprechende technische Ausstattung lösen. Ganz besonders wurde das in der Corona-Pandemie deutlich, wo in vielen Haushalten die technische Ausrüstung für den digitalen Unterricht fehlte.
"Die Kinderarmut ist oft in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet. Deshalb sind Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die Chancen der Kinder zu verbessern," so soll es der Bundesfinanzminister Christian Lindner in der „Bild am Sonntag“ in einem Interview gesagt haben.
Das der Bundesfinanzminister hier auf der Ebene seines Kollegen befindet, ist offensichtlich, denn auch er setzt in der Sache voraus, dass alle Eltern in der Lage sind, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Was ist aber mit den Eltern, die eben nicht erwerbsfähig sind, vielleicht zu der Kindererziehung auch noch einen Angehörigen pflegen müssen?
Dazu kommt die Betreuungsinfrastruktur, denn sind die Eltern erwerbstätig, müssen die Kinder betreut werden, was beim heutigen Fachkräftemangel zu einem immer größeren Problem wird. Der WDR hatte bereits im April in einem Beitrag dargestellt, dass etwa 2600 Einrichtungen Personalmangel gemeldet haben und in mehr als 2200 Fällen Kitas sogar zum Teil schließen oder ihr Betreuungsangebot reduzieren. Da in dem Beitrag die Familienministerin Josefine Paul (Grüne) aus Nordrhein Westphalen zitiert wird, ist davon auszugehen, dass sich die Zahlen auch nur auf NRW beziehen. Das Bildungsmagazin „News4Teachers“ geht in einem Beitrag vom März 2023 sogar davon aus, dass bundesweit sogar 10000 Kitas ihre Aufsichtspflicht nicht wie gewohnt erfüllen können.