Barrierefreiheit in Wohnhäusern - Gericht muss entscheiden
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Die Schaffung neuer barrierefreier Wohnungen, ist in vielen Gemeinden und Bundesländern eine Selbstverständlichkeit, in einigen Städten sogar fast schon musterhaft. Problematisch wird es im Bestandsbau, also jene Immobilien die älteren Baujahrs sind oder sogar in den Altbaubestand einzuordnen sind.
Bei Mietwohnungen ist es im Grundsatz relativ einfach, denn es gibt ein Recht auf Barrierefreiheit, aber nur dann, wenn auch ein berechtigtes Interesse vorliegt. Gerade ältere Menschen stellen irgendwann fest, dass ihre Mietwohnung nicht mehr den Anforderungen entspricht, sei es bei der Nutzung der Badewanne, der Dusche oder die Bewegungsfreiheit mit Mobilitätshilfen.
Wann eine Wohnung als barrierefrei gilt, das beschreibt die DIN 18040Die DIN 18040 ist in Deutschland die Grundnorm für barrierefreies Bauen, Planen und Wohnen. und darin wird (zusammengefasst) dargestellt, dass alles das als barrierefrei gilt, was ohne besondere Erschwernis und fremde Hilfe, selbst benutzbar oder erreichbar ist. Allerdings heißt barrierefrei nicht automatisch auch rollstuhlgerecht. Deutlich wird das am Beispiel der Türen. Gilt eine Tür mit einer Breite von 80cm bereits als barrierefrei, ist diese Tür allerdings erst ab einer Breite von 90cm, auch rollstuhlgerecht. Bei Durchgängen redet man von Breiten von 1,5 Meter als rollstuhlgerecht und bei 1,2 Meter als barrierefrei.
Grundsätzlich kann eine Mietwohnung, aber auch Eigentumswohnung, ohne weiteres barrierefrei umgebaut werden. Allerdings gibt es dabei grenzen, denn ein Umbau darf nicht die Baustatik eines Gebäudes verändern, außer diese Veränderung wurde vorher durch einen Architekt und Baustatiker geplant. Zu beachten ist, dass es Maßnahmen gibt, die immer vom Vermieter genehmigt werden müssen. Angefangen von Rollstuhlrampen im Außenbereich, Türrahmverbreiterungen, Badewanne und Dusche, WC-Austausch, Fenster und Türen sowie jede Form von Lift- oder Aufzugstechnik.
Für Wohnungseigentümer gibt es da mehr Freiheiten, denn diese können in ihren eigenen vier Wänden alles machen, solange es baustatisch möglich ist, oder die notwendigen Modifikationen der Baustatik mitberücksichtigt werden. Das kann gerade bei Tür- oder Wandmodifikationen der Fall sein, gerade dann, wenn die Wand ein tragendes Element ist. Im Wohnungseigentümerrecht, gelten barrierefreie Umbauten sogar als privilegiertes Recht (§20 WEG), das heißt, diese müssen von der Wohnungseigentümergemeinschaft erduldet werden. Trotzdem ist eine Mitbestimmung der Maßnahmen, wenn diese außerhalb des Sondereigentums liegen, wie Rampen im Außenbereich, oft mitbestimmungspflichtig, denn die Abstimmung innerhalb der Eigentümer kann Auswirkungen auf die Kosten haben.
Am 09. Februar 2024 werden vom Bundesgerichtshof (BGH) zwei spannende Urteile erwartet. Dabei geht es um die "Zulässigkeit von baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zur Barrierereduzierung" (Az.: V ZR 244/22 und V ZR 33/23). Unter anderem geht es in einer der Klagen um die Anbringung eines Außenfahrstuhles zur Barrierereduzierung. "[..] Das Landgericht meint, die Voraussetzungen des mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2020 neu geschaffenen Anspruchs einzelner Wohnungseigentümer auf Maßnahmen zur Barrierereduzierung lägen vor. Die Kläger könnten die Errichtung eines Personenaufzugs als privilegierte bauliche Veränderung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG verlangen; ein entsprechender Grundlagenbeschluss sei gerichtlich zu ersetzen. Der verlangte Aufzug diene dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen und stelle eine angemessene Maßnahme dar. [..]" heißt es auszugsweise in der Sachverhaltsschilderung des BGH und zitiert damit die vorinstanzliche Darstellung.
"Die Wohnanlage werde auch nicht grundlegend umgestaltet im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG. Dies erfordere im Vergleich zu dem früheren Recht mehr als eine Änderung der Eigenart der Wohnanlage im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG aF. Ausgehend von einem objektiven Vorher-Nachher-Vergleich und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls müsse die bauliche Veränderung der ganzen Anlage ein neues Gepräge geben. Davon könne bei der Errichtung eines Personenaufzugs für das im Gegensatz zum Vorderhaus eher schlicht gehaltene Hinterhaus nicht ausgegangen werden. Schließlich werde kein Wohnungseigentümer im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG unbillig benachteiligt," heißt es weiter im Sachverhalt und bisherigen Prozessverlauf.
Die zweite Klage richtete sich gegen den Bau einer Außenrampe, denn diese soll den "Charakter der Wohnanlage" als Ganzes, zu stark beeinflussen "Die gestattete Terrasse sei zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu der Wohnung weder erforderlich noch angemessen, insbesondere bestünden andere Möglichkeiten eines barrierefreien Zugangs, die mit geringeren Eingriffen in das Gebäude verbunden seien, hieß es im Prozessverlauf.
Die erwarteten Urteile könnten somit zumindest Wohnungseigentümerinnen und Eigentümern, mehr Rechtssicherheit geben, verdeutlichen aber auch, wie notwendig die Zustimmung innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, auch wenn Barrierefreiheit als privilegierte Maßnahme gilt.
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung