Tarifvertrag in der Altenpflege vorerst gescheitert
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Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für bessere Löhne in der Pflege sollte kommen, doch daraus wird vorerst nichts. Die Caritas hat am Donnerstag den Antrag von Pflegeverband und ver.di abgelehnt. Für den Tarifvertrag müssen beide kirchlichen Sozialverbände Caritas und Diakonie zustimmen.
Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der auf Antrag den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag auf die gesamte Branche erstrecken wolle, sprach von einer bitteren Nachricht für die Pflegekräfte, wie der Evangelische Pressedienst (epd) mitteilte.
Heil sagte am Donnerstag in Berlin wie der epd mitteilte, er könne die Kirchen nicht auf den Weg des Tarifvertrags zwingen, "aber ich bin enttäuscht, dass man diese historische Chance nicht genutzt hat." Dabei fordert er die Finanzierung aus der Pflegeversicherung von Tarifbindung abhängig zu machen und von der Diakonie, zumindest ein positives Signal zu setzen für einen neuen Anlauf. Die Verhandlungen würden dann von vorn beginnen, so Heil. Mit einem Scheitern wolle er sich nicht abfinden.
So hätte die Corona-Pandemie gezeigt mit welchen Belastungen die Beschäftigten in der Altenpflege zu tun hätten, sagte Heil. Gleichzeitig wäre zum deutlich geworden, dass Verbesserungen dringend nötig sein, betonte der Bundesarbeitsminister.
Zur Ablehnung eines Tarifvertrags in der Altenpflege durch die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas erklären Beate Müller-Gemmeke (Grünen), Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik und Kordula Schulz-Asche (Grünen), Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik:
Es ist eine herbe Enttäuschung, dass die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas den bundesweiten Tarifvertrag abgelehnt hat. Damit wurde eine große Chance vertan. Ein flächendeckend gültiger Tarifvertrag in der Altenpflege mit deutlich höheren Stundenlöhnen, mit mehr Urlaubstagen und Urlaubsgeld – das wäre ein echter Fortschritt. Genau das hätten die Pflegekräfte für ihre gesellschaftlich wertvolle Arbeit endlich verdient. Dieser Tarifvertrag hätte auch flächendeckend und bundesweit gegolten und wäre damit eine echte Chance gewesen, um die Arbeitsbedingungen und Löhne für die Pflegekräfte substanziell zu verbessern, und zwar in allen Einrichtungen. Wie so oft, wenn es um Arbeit geht, die hauptsächlich von Frauen geleistet wird, bleibt es wieder einmal nur bei leeren Worten. Das ist fatal, weil es schon jetzt einen Pflegenotstand gibt und der Fachkräftemangel in Zukunft noch zunehmen wird.
Bundesgesundheitsminister Spahn ist gut darin, mit großen Worten „konzertierte Aktionen“ für die Pflege anzukündigen. Aber wenn es ernst wird, steht er an der Seite des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste und verhindert damit Verbesserungen bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen.
Die Hoffnung, dass die kirchlichen Träger die langen und konstruktiven Gespräche mit ver.di nutzen, um endlich gemeinsam einheitliche Verbesserungen in der Pflegebranche auf den Weg zu bringen, hat sich jetzt zerschlagen. Das ist auch vor dem Hintergrund, dass gerade kirchliche Träger eine besondere gesellschaftliche Verantwortung tragen, sehr enttäuschend. Es muss deshalb kritisch geprüft werden, ob die aktuellen Rahmenbedingungen noch geeignet und zeitgemäß sind, um die massiven Herausforderungen in der Altenpflege zu bewältigen.
„Es ist ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte, dass die Caritas die flächendeckende Einführung existenzsichernder Löhne in der Altenpflege ablehnt“, kommentiert Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik der Fraktion DIE LINKE, die heutige Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas. „Damit schadet sie Pflegekräften und Menschen mit Pflegebedarf. Höhere Löhne führen nur dann zu höheren Zuzahlungen, wenn man das jetzige System nicht in Frage stellt. Das ist aber nicht gottgegeben. Mit der Solidarischen Pflegevollversicherung können sowohl höhere Löhne als auch mehr Personal solide finanziert werden, ohne Menschen mit Pflegebedarf zusätzlich zu belasten. Wenn die Caritas solche Konzepte ignoriert, sind ihre Beteuerungen für eine Aufwertung der Pflege heuchlerisch.“ Zimmermann weiter:
„Auch die Caritas wollte mehr als nur Applaus für die Pflegekräfte. Jetzt lässt sie alle schlecht bezahlten Pflegekräfte im Regen stehen. Die Dienstgeber nutzen dafür aus, dass ihre eigenen Beschäftigten nicht streiken dürfen. Kirchliches Sonderinteresse steht vor der Aufwertung des Pflegeberufs. Entgegen allen bisherigen Beteuerungen! Nötig wäre Druck auf das Bundesministerium, damit mit der anstehenden Reform der Pflegefinanzierung höhere Löhne ohne Belastung der Menschen mit Pflegebedarf finanziert werden können. Die Privilegien für kirchliche Arbeitgeber müssen beschnitten werden, wenn sie sich derartig gegen notwendige gesellschaftliche Verbesserungen stellen.“
Die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bach bedauert das nicht zustande kommen des Tarifvertrags in der Altenpflege:
Gesundheitsministerin Monika Bachmann: „Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Altenpflege ist für mich unverzichtbar!“ Gesundheitsministerin Monika Bachmann bedauert das Nichtzustandekommen der Tarifverträge für Pflegerinnen und Pfleger in der Altenpflege und betont: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Altenpflege leisten seit Beginn der Corona-Pandemie Großartiges. Sie tragen mit großem Engagement dazu bei, für die Sicherheit und das Wohlergehen der vulnerablen Gruppen zu sorgen. Ein flächendeckender Tarifvertrag für die Altenpflege ist für mich unverzichtbar und wäre in dieser Zeit eine sehr wichtige Anerkennung der wertvollen Arbeit gewesen. Deshalb appelliere ich an die Tarifvertragsparteien im Interesse aller Pflegerinnen und Pfleger sowie der Attraktivität des Pflegeberufes, die Finanzierung der Pflegekräfte tarifabhängig zu machen.“
Autor: md / © EU-Schwerbehinderung