IPReG Anhörung begleitet von Protestaktion - Kritik von Verbänden und dem Behindertenbeauftragten
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Heute fand im Gesundheitsausschuss die öffentliche Anhörung zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG) statt, bei der wegen der Corona-Krise kein Publikum und keine Presse zugelassen war.
Aus dem Bericht des Bundestag, ist die deutliche Kritik zu dem Gesetzesentwurf von Jens Spahn zu erkennen: Behindertenfachverbände sehen die geplante Neuregelung der Intensivpflege grundsätzlich positiv, sorgen sich aber um das Selbstbestimmungsrecht der Patienten. Die Verbände machten am Mittwoch in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages über den Gesetzentwurf (19/19368) der Bundesregierung deutlich, dass die Patienten selbst darüber befinden müssten, wo sie versorgt werden. Begrüßt wird die Entlastung durch die Reduzierung des Selbstkostenanteils. Die Sachverständigen äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Reform soll eine bessere Versorgung ermöglichen und zugleich Fehlanreize beseitigen und Missbrauch verhindern. Der Gesetzentwurf sieht einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege vor. Die außerklinische Intensivpflege kann in Pflege- und Behinderteneinrichtungen, in Intensivpflege-Wohneinheiten, zu Hause oder auch in Schulen, Kindergärten oder Werkstätten erbracht werden. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) soll prüfen, ob die Versorgung sichergestellt werden kann.
Die fünf Fachverbände für Menschen mit Behinderung äußerten sich besorgt. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege bleibe für Menschen mit Intensivpflegebedarf nicht uneingeschränkt erhalten. Dem Wunsch nach Betreuung im eigenen Haushalt werde nur entsprochen, wenn die häusliche Versorgung "tatsächlich und dauerhaft" sichergestellt werden könne. Sei dies aufgrund des Pflegekräftemangels nicht der Fall, sei der Anspruch von Versicherten mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege faktisch wertlos.
Der Bundesverband Schädel-Hirnpatienten in Not erklärte hingegen, die anhaltende Kritik, wonach das Wahlrecht der Versicherten beim Ort der Versorgung aufgehoben werde, sei unberechtigt. Ausdrücklich lasse der Entwurf eine häusliche Intensivpflege unter Beachtung der individuellen Zumutbarkeit und Möglichkeiten zu.
Auch die Bundespflegekammer verwies auf die seit dem Referentenentwurf vorgelegten Änderungen hinsichtlich des Wahlrechtes. Es solle nun nicht mehr geprüft werden, ob der Wunsch nach häuslicher Versorgung angemessen sei. Allerdings seien in strittigen und unklaren Situationen nicht der Wunsch des Betroffenen ausschlaggebend, sondern die Ergebnisse aus der Begutachtung des MDK.
Der MDK sieht den Zeitpunkt für die vorgesehene Überprüfung als problematisch an. Der MDK könne keine Feststellung über die medizinische und pflegerische Versorgung treffen, wenn diese noch gar nicht erbracht werde. Dieser Ansatz einer prospektiven Prüfung sei mit großen Unsicherheiten behaftet. Sinnvoll sei es, zunächst festzustellen, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine außerklinische Intensivpflege vorliegen und später die Versorgung am Leistungsort zu prüfen.
VdK-Präsidentin Verena Bentele sagt dazu: „Es kann nicht sein, dass die Medizinischen Dienste, also letztendlich die Krankenkassen, entscheiden, wo Intensivpflegepatientinnen und -patienten versorgt werden. Wir müssen aufhören, diese Menschen zu entmündigen. Sie haben das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie zuhause in ihrer vertrauten Umgebung mit ihren Familien und Freunden leben wollen. Niemand darf gegen seinen Willen in eine stationäre Einrichtung eingewiesen werden. Das muss endlich raus aus dem Gesetzentwurf.“
Die stationäre Versorgung von Intensivpflegepatientinnen und -patienten ist kostengünstiger als ihre Versorgung zuhause. Verena Bentele weiter: „Das Wohl der Intensivpflegepatientinnen und -patienten muss entscheiden. Es darf keinesfalls darum gehen, Kosten einzusparen. Wir befürchten aber, dass finanzielle Interessen der Krankenkassen den Ausschlag geben könnten. Der Medizinische Dienst ist beileibe kein unabhängiges Organ.“
SoVD-Präsident Adolf Bauer: „Das Gesetz darf die Beweislast, dass eine qualitätsgesicherte Pflege erbracht wird, nicht auf die Betroffenen verschieben. Denn sonst kann es Probleme geben, wenn Pflegebedürftige zu Hause leben wollen und kein qualifiziertes Personal für die häusliche Intensivpflege finden. Hier muss es beim Sicherstellungsauftrag der Krankenkasse bleiben."
Vor dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH) traf sich heute der Verein ALS-mobil e.V. um in einer Protestaktion auf kritischen Elemente des Gesetzentwurfes aufmerksam zu machen. Neben ALS-mobil hat sich gegenüber EU-Schwerbehinderung der Behindertenbeauftragte, Jürgen Dusel und Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) geäußert.
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Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung