Mögliche EU-Vorgaben zur Pauschalreise lösen Besorgnis aus
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Wie sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Anbieter von Reiseleistungen auswirkt und was die geplante Novelle der europäischen Pauschalreiserichtlinie für sie bedeutet, haben Sachverständige am 21 Februar 2024 in einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses dargestellt. „Große Besorgnis“ angesichts der Brüsseler Pläne äußerte die Leiterin Regierungsbeziehungen/Public Affairs DACH beim Buchungsportal Booking.com, Alexandra Wolframm. Es gehe um die Ausweitung von Definitionen in der Pauschalreiserichtlinie, verbundene Reiseleistungen könnte zu einer Pauschalreise mit allen damit verbundenen Konsequenzen vor allem hinsichtlich der Haftung werden. Das treffe nicht nur ihr Unternehmen, sondern auch kleine Reisebüros.
Wenn die Richtlinie in jetziger Fassung komme, so die Sachverständige, würden Zusammenstellungen verschiedener Reiseleistungen viel früher zur „Pauschalreise“ werden. Dies würde bedeuten, dass der Reiseanbieter prüfen muss, ob Leistungsträger wie zum Beispiel ein kleines, entlegenes Hotel in der Lage wäre, den geforderten Insolvenzschutz abzusichern. Dies würde eine „enorme Ausweitung der Haftung“ darstellen, sagte Wolframm. Wenn das Risiko nicht eingegangen werden könnte, müssten technische Lösungen überlegt werden, um bestimmte Reiseleistungen ausschließen zu können. Damit würde „dynamischen Reisen“ viel Flexibilität genommen, zum Nachteil der Kunden und Leistungsträger.
Solveig Maier, Präsidiumsmitglied im Verband Internet Reisevertrieb, ergänzte, die erweiterten Haftungsbedingungen würden dazu führen, dass junge, kleine Unternehmen abgeschreckt werden könnten, bestimmte Produkte überhaupt anzubieten. Es gehe darum, die Bedingungen so zu gestalten, dass „wir international im Wettbewerb bestehen können“. Gebraucht würden praktikable Rahmenbedingungen, damit Innovation weiterhin stattfinden könne, sagte Maier.
Nach Darstellung von Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes, werden 41 Prozent aller Pauschlareisen in Europa in Deutschland verkauft. Die Reisemittler als kleinste Marktteilnehmer würden für die Qualität des Produkts der großen Airlines oder großen Hotels haften. Inger nannte dies eine „dramatische Verlagerung vom großen zum kleinsten Marktteilnehmer“, was politisch nicht gewollt sein könne.
Die Rolle der KI in der Branche bezeichnete Inger als hilfreich und positiv. Viele Arbeiten seien standardmäßige Informationen. Hier könne die KI helfen, diese schnell zu beschaffen und weiterzugeben. Den Expedienten verschaffe dies Zeit für die individuelle Reiseberatung.
Oliver Rengelshausen, Geschäftsführer des IT-Branchenanbieters von Amadeus Germany, sprach von der „generativen KI“ in seinem Unternehmen. Diese prüfe neue Projekte auf Fairness im Umgang mit Daten, Zuverlässigkeit und Sicherheit sowie auf Transparenz, Rechenschaftspflicht und Nachhaltigkeit. Man wolle möglichst Freiheit und Sicherheit beim Datenaustausch haben. Die KI lebe vom Zugang zu Datenbeständen: „Wir brauchen einen regulatorischen Rahmen dafür“, betonte Rengelshausen.
Max Hübner, selbstständiger Projektmanager, sagte, die KI könne keine betriebswirtschaftlichen Synthese herstellen. Bei der Reisebuchung solle der individuelle, emotionale Bedarf des Kunnden ermittelt werden, und dazu sei die KI noch nicht in der Lage. KI sei kein Allheilmittel.
Alexandra Wolframm berichtete, dass Booking.com KI vielfältig einsetze. KI sei ein wertvolles und effizientes Instrument, um Abläufe zu automatisieren und effektiv zu gestalten. Was den sogenannten AI Act, das geplante Regelwerk der Europäischen Kommission zu KI anbelangt, diagnostizierte Wolframm Interpretationsspielraum bei einigen Begriffen wie etwa dem „Hochrisikobereich“. Da brauche es Klarstellungen durch die EU-Kommission.
Solveig Maier sprach von „Entlastungen im Arbeitsalltag“ durch die KI, die bereits in der Pandemie-Zeit in großem Maße eingesetzt worden sei. KI stelle technologische Unterstützung von der Buchung bis zur Abwicklung des Geschäfts dar. „Wir brauchen Fachkräfte, die dann andere Aufgaben übernehmen“, sagte Maier.
Autor: Bundestag/hib | © EU-Schwerbehinderung/Deutscher Bundestag