Länder kämpfen für die Interessen der Patienten
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Der Bundesgesundheitsminister will das Krankenhaussystem in Deutschland reformieren um Kosten einzusparen. Ein Vorhaben das inhaltlich sehr viele Maßnahmen mit sich bringt. Eines der Maßnahmen sind die Verlegung von Kompetenzen, so dass nicht jedes Krankenhaus alle fachlichen Kompetenzen mehr vorhalten muss. (Wir berichteten: Menschen mit Behinderungen durch Lauterbach Krankenhausreform in Gefahr?)
Dabei gibt es sicherlich noch viele andere Sparpotentiale. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) stellte fest, dass etwa 20 Prozent aller Behandlungsfälle im Krankenhaus, auch hätten ambulant erbracht werden können.
"Die stationäre Versorgung in Deutschland ist durch eine im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Bettenkapazität sowie eine übergroße Anzahl akutstationärer Krankenhausbehandlungen geprägt. Andere europäische Länder verzeichneten 2019 im Mittel vier Krankenhausbetten und 146 stationäre Behandlungsfälle pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Hingegen lag Deutschland mit sechs akutstationären Klinikbetten und 252 Behandlungsfällen pro 1.000 Einwohner deutlich darüber. Insbesondere aufgrund stark steigender Kosten für Klinikbehandlungen und des zunehmend deutlicher zu Tage tretenden Fachkräftemangels wird immer eindringlicher gefordert, bisher stationär erbrachte Leistungen in die ambulante Versorgung zu verlagern," stellt das ZI auf Grundlage eines Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Ambulantisierungspotenzial in deutschen Akutkrankenhäusern“ fest.
Dr. Christiane Wessel, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, bekräftigte, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte deutlich zeiteffizienter und kostenökonomischer ambulant operieren könnten, als dies im stationären Bereich üblich sei. „In den stationären Preisen sind eben auch versorgungsferne Kosten enthalten, da muss die Klinik auch den Pförtner mitbezahlen. Auf der anderen Seite müssen die Vertragsarztpraxen aber auch Wettbewerbsnachteile gegenüber den Krankenhäusern ausgleichen. Etwa, weil die Vergütungen für die Praxen generell weniger günstig ausgestaltet sind als für vergleichbare Leistungen in Krankenhäusern. Hinzu kommen deutlich höhere Haftpflichtversicherungsprämien und massiv gestiegene Sachkostenpreise, die derzeit bei den zeitaufwendigeren Leistungen kaum noch aus den Pauschalen für die sektorengleiche Vergütung herausgewirtschaftet werden können. Während Klinikkonzerne ihre Preise durch Synergie- und Mengeneffekte drücken und so Nachteile bei der Zeiteffizienz ausgleichen können, stellen die in den neuen sektorengleichen Leistungspauschalen enthaltenen Sachkostenanteile bei aufwendigen Leistungen ein höheres Risiko für einzelne Praxen dar. Zudem werden in den Praxen immer Fachärztinnen und Fachärzte tätig, während in den Krankenhäusern nicht immer klar ist, ob der sogenannte Facharzt-Standard eingehalten wird. Damit die Pauschalen für sektorengleiche Leistungen tatsächlich breit genutzt und damit Ambulantisierungspotenziale gehoben werden, dürfen sie nicht nur für Krankenhäuser attraktiv sein, sondern müssen insbesondere für die Praxen attraktiv ausgestaltet werden“, so Wessel weiter.
Zum gestrigen Treffen des Bundesgesundheitsministers mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß:
„Der offene Konflikt in den Bund-Länder-Gesprächen verdeutlicht das Scheitern des Bundesgesundheitsministers. Es ist konsequent, dass ausnahmslos alle Länder mit einer gemeinsamen Positionierung der Geisterfahrt des Bundesgesundheitsministers bei seinem radikalen Umbau der Krankenhauslandschaft entgegengetreten sind. Die Länder kämpfen damit für die Interessen der Patientinnen und Patienten. Dem entgegen steht ein Bundesgesundheitsminister der sich davor scheut, der Öffentlichkeit, dem Parlament und den Bundesländern die Auswirkungen seiner zentralistischen Krankenhausplanung vor der Verabschiedung seines Reformgesetzes offenzulegen.
In zahllosen Treffen zwischen Bund und Ländern haben sich die Bundesländer immer wieder bemüht, Kompromisse mit dem Bundesgesundheitsminister zu schließen, um das gemeinsame Ziel einer großen Krankenhausreform zügig und wirkungsvoll umzusetzen. Fast alles davon hat Karl Lauterbach nun in seinem Reformentwurf aufgekündigt und die Länder auch noch mit dem groben Foul eines nicht zustimmungspflichtigen Gesetzentwurfs aus dem parlamentarischen Verfahren gekickt.
Mit seinem Totschlagsargument, es ginge ihm um die Qualität, und nur seine Ideen könnten die Qualität der Patientenversorgung sicherstellen, versucht er bis heute die Öffentlichkeit zu täuschen. Tatsächlich will er die Länder komplett entmachten und die Versorgungsstrukturen in ganz Deutschland in seine Berliner Schablone pressen. Genau das wollen die Länder mit ihren Einsprüchen verhindern, um Versorgungsengpässe, lange Wartelisten und ungleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land zu vermeiden. Sie sehen sich in der Verantwortung, mit dem Blick auf die Regionen gemeinsam und im Dialog mit den Krankenhausträgern die Gesundheitsversorgung evolutionär weiterzuentwickeln. Revolutionen und Revolutionäre haben da zu Recht keinen Platz.
Bis heute hat der Bundesgesundheitsminister kein taugliches Konzept für eine Finanzierungsreform vorgelegt, die die strukturellen Ziele der Reform nach mehr Ambulantisierung und Spezialisierung bei gleichzeitiger Sicherung der Basisversorgung in der Fläche unterstützt. Noch nicht einmal bei diesem Kernstück seiner Reform hat er nach fast zwei Jahren geliefert.
Den Kliniken steht aktuell das Wasser bis zum Hals. Ihnen wird auch weiterhin der seit 2022 dringend notwendige Inflationsausgleich verwehrt, so dass sie nun schon das dritte Jahr infolge mehr Geld ausgeben müssen als sie einnehmen können. Das bedeutet absehbar einen weiteren Rekord an Insolvenzen, Schließungen von Abteilungen und Standorten sowie letztlich eine spürbare Verschlechterung der Versorgung. Zugleich bedeutet es auch Mehrausgaben der Länder und Kommunen zur Stützung der Kliniken, die an anderer Stelle in den kommunalen Haushalten eingespart werden müssen. Wer das als qualitätsvolle Politik verkaufen will, hat jeden Sinn für die Realität verloren.
Jetzt bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um die große Krankenhausreform wieder auf die ursprünglich vereinbarte Spur der Eckpunkte vom Juli 2023 zu bringen. Das heißt, die Krankenhausplanung aus NRW muss wie klar verabredet eins zu eins übernommen werden. Bei der Reform des Finanzierungssystems brauchen wir ein Konzept, das nicht nur eine gigantische Bürokratie erzeugt, sondern die Strukturkosten der Krankenhäuser tatsächlich unabhängig von der konkreten Patientenfallzahl finanziert und damit auch bedarfsnotwendige Kliniken im ländlichen Raum absichert. Das jetzt vom Ministerium vorgelegte Gesetz verfehlt diese Ziele komplett. Die geplante Vorhaltefinanzierung ist nachweislich völlig untauglich. Das Gerede von „Entökonomisierung“ und „Existenzsicherung“ ist substanzlos.
Vor dem Hintergrund dieser Unzulänglichkeiten weigert sich das Ministerium hartnäckig, im Vorfeld der Gesetzgebung zu untersuchen, welche Auswirkungen die beabsichtigen Reformen haben werden. So manövriert man im Blindflug durch die von Minister Lauterbach angekündigte Revolution.
Die gemeinsame Botschaft der Länder an Karl Lauterbach ist ein deutliches Zeichen: Mit den untauglichen theoretischen Konzepten aus dem Büro des Bundesgesundheitsministers, wird man die für die Bürgerinnen und Bürger so elementare Daseinsvorsorge der Krankenhausversorgung in Deutschland nicht zukunftsfest gestalten können. Es ist höchste Zeit, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach wieder auf den gemeinsamen Weg von Bund und Ländern zurückkehrt und die längst vereinbarten Kompromisse in seinem Reformentwurf auch tatsächlich umsetzt. Weder die Bundesländer noch die Krankenhausträger sperren sich gegen die notwendigen Weiterentwicklungen. Insgesamt weniger Krankenhausstandorte, Umwandlungen in regionale Gesundheitszentren, Standortfusionen, die stärkere Konzentration besonders komplexer Behandlungen in Zentren und mehr ambulante Versorgung an den Krankenhäusern sind unsere Ziele, die wir insbesondere mit den Bundesländern teilen. Das dürfen die Patientinnen und Patienten und Bürgerinnen und Bürger in diesem Land erwarten. Es geht letztlich um die langfristige Sicherung der stationären Gesundheitsversorgung in Deutschland.“
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung