Menschen mit Behinderung in derzeitiger Situation besonders armutsgefährdet

  • 04 Feb
Bildbeschreibung: Jemand mit einem Blindenstock.

Immer mehr Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht. So erreichte die Armutsquote 2021 laut paritätischem Armutsbericht einen neuen Höchststand. Menschen mit Behinderung sind dabei besonders gefährdet, in die Armut abzurutschen. „Und die aktuellen Entwicklungen werden die Situation noch verschärfen“, ist sich Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch, sicher. Denn aufgrund der aktuellen Inflation, der anhaltenden Corona-Pandemie und steigenden Energiekosten wird sich die wirtschaftliche Lage vieler Menschen in Deutschland weiter verschlechtern. „Zudem müssen finanzielle Hilfen zielgerichteter auf Risikogruppen und Benachteiligte ausgerichtet sein – dazu gehören Menschen mit Behinderung ebenso wie armutsgefährdete Familien mit Kindern. Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht weiter auseinandergehen, wenn wir eine gesellschaftliche Spaltung verhindern wollen“, warnt Marx.

„Nicht wenige Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen (WbfM), die dort stundenweise arbeiten und einen geringen Lohn erhalten, daneben aber auch Erwerbsminderungsrente beziehen, kommen trotz dieser beiden Einkünfte nicht auf ein angemessenes Existenzniveau, weshalb oftmals auch noch Grundsicherung beantragt werden muss. Mit den dreierlei Bezügen kann zumindest ein gewisses Level an würdigem Dasein erreicht werden“, erläutert der Leiter der Anlaufstelle „Beratung mit Handicap“, der Konstanzer Sozialberater Dennis Riehle, aus Anlass der aktuellen Rüge der Vereinten Nationen und des EU-Parlaments an der Bundesregierung, wonach in Deutschland viele Behinderte lediglich über einen Arbeitslohn von 212 EUR pro Monat erhalten. Riehle berichtet auch aus aktuellen Anfragen von Ratsuchenden: „Es ist für unsere Gesellschaft beschämend, wenn wir behinderte Personen derart demütigen, dass sie trotz Anstrengung und Bemühung, beruflich wie sozial partizipieren zu wollen und nach Kräften versuchen, ein Teil des Miteinanders zu sein, auf die unterschiedlichsten Almosen angewiesen sind“. Riehle erinnert sich an mehrere Fälle von Menschen mit Handicap, die in den sogenannten „Behindertenwerkstätten“ mehrere Stunden täglich Wäsche gewaschen, Holzarbeiten erledigt oder Waren verpackt haben und dafür eine geringe dreistellige Entlohnung erhalten, die nahezu vollständig in die durch gestiegene Preise teurer gewordenen Lebensmittel und Energiekosten gesteckt werden muss“, beklagt Riehle bitte und zeigt sich enttäuscht.

„Und dann erhalten manche von ihnen eine zwar einigermaßen erträgliche, aber durch die Inflation und Miet- oder Heizkosten erheblich reduzierte Netto-Erwerbsminderungsrente, denn auch die durch die Grundsicherungsleistungen oder Sozialhilfe obenauf kommenden Zuschläge zu den Regelsätzen reichen ja schon lange nicht mehr aus, die derzeitigen Preise bezahlen zu können“. Insgesamt genügen also drei verschiedene Bezüge nicht, um letztlich trotz Arbeit und Bedürftigkeit ein wenigstens annehmbares Hier und Jetzt zu erreichen. Das ist Ausdruck des Versagens eines industriellen Sozialstaates, der auf dem Papier eines der reichsten Länder dieser Erde ist, in dem aber die Einkommen und Vermögen derart diametral entgegenstehend verteilt sind, dass vor allem Menschen mit einer Beeinträchtigung und in schweren Lebenslagen zum Bittsteller degradiert und damit oftmals zur bestehenden Behinderung auch sozial diskriminiert werden. Dass sich Deutschland eine derartige Blöße gibt und weiterhin nach dem Prinzip der Gießkanne seine Entlastungen verteilt, statt gerade bei solchen Personen wie den genannten anzusetzen, verstehe ich nicht“.

Riehle haben mehrere Beispiele Betroffener erreicht, die deutlich machen: „Wenn man einen Strich unter all ihre Leistungen zieht und dann die notwendigen Ausgaben abzieht, bleiben bei drei oder mehr Einkommensquellen am Ende rund 300 EUR für Nahrung, Hygiene und Kleidung. Und das, obwohl nicht wenige behinderte Menschen schon über viele Jahren zuverlässig in den Werkstätten einen Beitrag zum wirtschaftlichen Geschehen leisten und dennoch am Monatsausklang im Minus landen. Nicht zuletzt deshalb muss ich immer öfter an Schuldnerberatungen vermitteln, mich macht solch ein Umstand wirklich sprachlos. Der von den Koalitionären stets betonte Zusammenhalt wird gerade nicht sichtbar – und Kanzler Scholz sage ich: Viele Behinderte walken eben doch alone!“. Was diese Lage für die Betroffenen konkret bedeutet, könne man sich an ein paar Fingern abzählen: „Da wird die Heizung abgedreht, im Pullover geschlafen, auf einer einzelnen Herdplatte gekocht, der Körper nur tageweise gereinigt, Kleidung mit Hand geschrubbt, Männer rasieren sich nicht mehr, gegessen wird aus Dosen und Kerzen statt Licht bringen ein wenig Helligkeit in das Dunkel dieser Menschen und ihrer Angehörigen, die sich schämen und verzweifelt sind. Denn wenn sie überhaupt Einmalzahlungen erreichen, verpuffen diese direkt wieder, weil damit das überzogene Konto ausgeglichen werden muss“, erklärt Dennis Riehle abschließend.

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