Experten fordern Planungssicherheit für Deutschlandticket
- 10 Okt
Das Deutschlandticket ist ein Erfolgsmodell, dessen Fortführung über das Jahr 2025 hinaus jedoch völlig ungeklärt ist. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Mittwoch geladenen Sachverständigen einig. Sie forderten Planungssicherheit - auch über das Jahr 2026 hinaus. Nur so könnten die tatsächlichen Potenziale des Deutschlandtickets gehoben werden, hieß es übereinstimmend.
Die der Anhörung zugrundeliegende Novelle des Regionalisierungsgesetzes (20/12773) stieß auf Kritik. Darin ist unter anderem eine „haushaltskonsolidierende Maßnahme“ enthalten: Ein Betrag in Höhe von 350 Millionen Euro soll dem Entwurf zufolge nicht im Jahr 2025 ausgezahlt werden. Die Gelder sollen erst nach Vorlage der Nachweise über die Verwendung der Regionalisierungsmittel für das Jahr 2025 im Jahr 2026 ausgezahlt werden. Die Neuregelung sieht zudem vor, dass es keine über den Betrag von jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Kalenderjahr in den Jahren 2023 bis 2025 hinausgehende Nachschusspflicht von Bund und Ländern gibt. Außerdem ist ein Verbot geplant, durch die Länder reduzierte Deutschlandtickets über Regionalisierungsmitteln zu finanzieren. Dies müsse über Ländermittel erfolgen, schreibt die Bundesregierung.
Die beabsichtigte haushaltskonsolidierende Maßnahme wird durch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände entschieden abgelehnt. Sie stelle eine faktische Kürzung der Regionalisierungsmittel dar, befand Kommunalvertreter Thomas Kiel d'Aragon.
Nicht zielführend ist die Kürzung auch aus Sicht von Oliver Wittke, Vorstandssprecher beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR). Ob die Länder in der Lage sind die Mittel vorzufinanzieren erscheine fraglich, so dass in Verbindung mit der generellen Unterfinanzierung des ÖPNV Abbestellungen auch im Schienenpersonennahverkehr realistisch seien, sagte Wittke. Der VRR-Vorstandssprecher forderte klare Aussagen zur dauerhaften Etablierung des Deutschlandtickets. Potenzielle Neukunden und Arbeitgeber, die ein Jobticket anbieten wollen, würden sich nicht für ein Deutschlandticket entscheiden, „wenn sie davon ausgehen müssen, dass der Fortbestand über 2025 hinaus nicht gesichert ist“.
Für eine Stärkung des Jobtickets sprach sich auch Bernhard Knierim, Referent Verkehrspolitik und Projekte beim Verein Allianz pro Schiene, aus. Die Attraktivität des Deutschlandtickets könnte aus seiner Sicht zudem wesentlich gesteigert werden, wenn auch die Mitnahme von Kindern unkompliziert ermöglicht würde.
Der ab 2025 geplante Preisanstieg von 49 Euro auf 58 Euro stieß auf Ablehnung bei Alexander Kaas Elias vom Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende. Schon jetzt sei das Ticket speziell für Familien, Kinder und Jugendliche sowie für Menschen mit geringem oder keinem Einkommen oft zu teuer. Benötigt würden bundesweit geltende Regelungen für Sozialtickets.
Als größten Hebel, um die Nutzerzahlen des Deutschlandtickets noch weiter zu erhöhen, bezeichnete Jan Görnemann, Geschäftsführer beim Bundesverband SchienenNahverkehr, das Jobticket. Eine Verdopplung der Zahlen sei möglich, wenn das Deutschlandticket langfristig gesichert sei. Abgelehnt wurde von ihm das Verbot der unterstützenden Finanzierung tariflicher Angebote zur Ergänzung des Deutschlandtickets für bestimmte Personengruppen durch Regionalisierungsmittel.
Christiane Leonard, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO), begrüßte indes die Klarstellung, dass die für das Deutschlandticket zur Verfügung gestellten Mittel auch vor Ort ausschließlich für das Deutschlandticket verwendet werden dürfen. Darüber Schülerticktes zu finanzieren sei nicht richtig, weil es darum gehen sollte, Pkw-Nutzer zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen.
Matthias Pippert von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) machte deutlich, dass das Deutschlandticket auf wirklich allen Strecken, wo Nahverkehr stattfindet, gelten müsse. „Sonst entstehen Fallen für die Fahrgäste, wenn plötzlich ein erhöhtes Beförderungsentgelt fällig wird“, sagte er. Benötigt werde zudem eine langfristige Preisstabilität für das Ticket. Das sei wichtig für die Unternehmen aber auch für diejenigen, die ihre persönliche Mobilität vom Auto auf den ÖPNV umstellen wollen.
Es müssten übertragbare Familientickets und ein bundeseinheitlich reduziertes Deutschlandticket für Menschen mit geringem Einkommen im Sinne der Sozialverträglichkeit eingeführt werden, verlangte Marc-Philipp Waschke, Referent Verkehrspolitik beim Auto Club Europa (ACE). Zudem müsse es nach der Tarifrevolution auch eine Angebotsrevolution geben, betonte er. Ohne Angebotsausbau und Modernisierung der Infrastruktur werde es schwer gelingen, mehr Menschen zum Umstieg zu bringen.
Autor: Bundestag/hib | © EU-Schwerbehinderung/Deutscher Bundestag