Stillstand in der digitalen Barrierefreiheit - Planungen zum digitalen Schwerbehindertenausweis
- Lesezeit: 6 Minuten
Die Welt wird immer digitaler und das bedeutet, dass auch die Informationsbeschaffung ohne Internet in unserer immer komplexeren Welt, kaum noch möglich ist. Das, was aber für die einen als Selbstverständlichkeit betrachtet wird, ist für andere Menschen nicht ohne weiteres möglich. Menschen die durch Einschränkungen, das Internet nicht so nutzen können, wie es die Mehrheit tagtäglich tut.
Seitens der Union (CDU/CSU) gab es eine kleine Anfrage an die Bundesregierung, die jetzt unter der Drucksache 20/5475 beantwortet wurde. Darin ging es um die "Digitalpolitische Bilanz des ersten Jahres der von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gebildeten Bundesregierung". Hintergrund sind Aussagen, die mit Entstehung der Ampel-Koalition getätigt wurden. "Wir werden diesen Staat digitalisieren", hieß es damals von Christian Lindner (FDP). Solche Versprechen lösen Erwartungshaltungen aus. Erwartungshaltungen die schon seit langem bestehen und eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Zumindest für die Bundesregierung und allen anderen öffentlichen Stellen, gilt sie, die Barrierefreiheit im Internet.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), ist für die Digitalstrategie von Deutschland verantwortlich. In dem Zusammenhang taucht ein Begriff auf, der sich "Onlinezugangsgesetz" nennt (auch OZG genannt). Ein Begriff, der vielversprechend klingt, doch was steckt eigentlich dahinter? Bei diesem Gesetz geht es primär um die digitale Verwaltung, Für Bürgerinnen und Bürger insofern interessant, da mit Online-Angeboten der eine oder andere Behördengang vermieden werden kann. Eine Idee die gut ist, doch wenn man sich ansieht, was das in einem föderalen System wie in Deutschland bedeutet, dann scheint es so, als wenn eine einheitliche Linie spätestens dann verloren geht, wenn die Bundesländer in die Umsetzung gehen. Einheitlichkeit der einzelnen Bürgerportale fehlen und Barrierefreiheit ist immer noch an vielen Stellen nicht gegeben, gerade wenn es um das Ausfüllen von Formularen geht.
"Die Gewährleistung von Nutzerfreundlichkeit war bereits bisher ein wesentlicher Grundgedanke bei der Umsetzung des OZG. Teil der Nutzerfreundlichkeit ist die Herstellung der Barrierefreiheit. Bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und der Verwaltungsdigitalisierung soll die Nutzerfreundlichkeit und einfache Bedienbarkeit von IT-Produkten noch stärker als bisher gesetzlich verankert und damit berücksichtigt werden. Dazu gehört auch, dass Vertreterinnen und Vertretern von Menschen mit Behinderungen bei der Entwicklung von IT-Produkten beteiligt werden sollen. Das Format der Digitallabore, das im Rahmen der Umsetzung des OZG genutzt wird, ist hier beispielgebend. Die Beteiligung von Ländern und Kommunen erfolgt gemäß § 47" - Eine vielversprechende Aussage die als Antwort auf die Frage "Wird der Entwurf des Onlinezugangsgesetzes auch Regelungen zur Barrierefreiheit der entsprechenden Verwaltungsdienstleistungen enthalten, und wenn ja welche?" erfolgte.
Bei dem Thema "Digitalisierung" taucht auch immer wieder der digitale Schwerbehindertenausweis auf. Dazu heißt es in der Antwort der Bundesregierung: "Die Umstellung des Schwerbehindertenausweises in einen digitalen Teilhabeausweis wird aktuell vom BMAS geprüft. Bei der Einführung eines nationalen, digitalen Teilhabeausweises ist darauf zu achten, dass die Entwicklungen in Deutschland mit denen auf EU-Ebene kompatibel sind. Die EU-Kommission hat angekündigt, im Rahmen einer Leitinitiative bis Ende 2023 einen Europäischen Behindertenausweis einzuführen, der in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden soll. Das BMAS wird darauf hinwirken, die nationalen und europäischen Überlegungen zu verzahnen."
Aus der Antwort der Bundesregierung ist somit deutlich erkennbar, dass der digitale Schwerbehindertenausweis so schnell nicht kommen wird, denn wenn man dabei auf die EU warten möchte, dann zeigt die Erfahrung, wie lange es in der Regel dauert, bis EU-Verordnungen abschließend umgesetzt werden.
Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion "Digitalpolitische Bilanz des ersten Jahres der von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gebildeten Bundesregierung" erklärt der Beauftragte der Fraktion für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, Wilfried Oellers: "Die Bundesregierung tritt bei der digitalen Barrierefreiheit weiter auf der Stelle. Es ist zwar löblich, dass die Barrierefreiheit bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes eine größere Rolle spielen soll. Die Antwort lässt aber offen, ob und wie die Standards zur Barrierefreiheit auf Bundesebene auf die Bundesländer übertragen werden sollen. Denn dort wird der Großteil der Verwaltungsdienstleistungen erbracht. Unklar bleibt auch, wie die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen verbindlich gestaltet werden kann und welche Rolle hier die Digitallabore spielen sollen. Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke sowie Werkstätten für behinderte Menschen warten auf ein Förderprogramm für den Aufbau einer barrierefreien Infrastruktur und zur Vermittlung digitaler Kompetenzen. Als CDU/CSU-Fraktion hätten wir hierfür dieses Jahr im Bundeshaushalt 150 Millionen Euro bereitgestellt. Die Ampel hat dies abgelehnt und meint, die zusätzlichen Aufwendungen könnten allein über die Kostensätze der Rehabilitationsträger abgedeckt werden. Die Bundesregierung muss die Chancen der Digitalisierung für Menschen mit Behinderungen beherzter anpacken."
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung