Wohnungsbauziel verfehlt: Mangel an bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum
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Auf der Suche nach einer Wohnung wird oft nicht bedacht, dass der gesuchte Wohnraum so gestaltet sein sollte, dass dieser auch im Falle eines barrierefreien Bedarfes noch allen Ansprüchen entspricht. Barrierefrei schon deshalb, da niemand vor Unfällen geschützt ist und rund 96 Prozent aller Behinderungen, auf ein Lebensereignis zurückzuführen ist.
Spätestens im Alter kann der Bedarf entstehen, wenn das selbstbestimmte Leben nur mit Hilfsmitteln führbar ist, oder der Nutzungsbedarf für einen Rollstuhl besteht. Doch wer denkt schon in jungen Jahren an den barrierefreien Wohnraum? Hinzu kommt das Armutsrisiko für Rentnerinnen und Rentner, denn der gutbezahlte Job macht den Wohnraum noch finanzierbar, aber wenn dieser nur durch die Rente finanziert werden muss, ist für viele die Miete nicht mehr finanzierbar und der Bedarf nach sozialem Wohnraum entsteht.
Ein weiteres Risiko ist das Lebensereignis, dass am Ende zu einer Erwerbsunfähigkeit führt. Kann mir nicht passieren? Das denken viele. Immerhin sind in Deutschland 1,81 (Stand 2021) Millionen Menschen davon betroffen und beziehen Erwerbsminderungsrente. So kann aus dem guten Einkommen eines werden, mit dem das Leben nur noch unterstützend mit Grundsicherung möglich ist und der bewohnte Wohnraum nicht mehr finanziert werden kann.
Das Coronavirus hat gezeigt, wie schnell durch ein unvorhersehbares Ereignis, die Erwerbsfähigkeit von ehemals erkrankten dafür sorgt, dass die Erwerbsfähigkeit auf Dauer eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden ist. (Long-Covid)
Eigentlich wollte die Bundesregierung mehr für den Wohnungsbau tun, auch mit sozialem Wohnungsbau. Doch die Bundesregierung hat im Jahr 2022 ihr Wohnungsbauziel verfehlt. Es wurden im vergangenen Jahr insgesamt 295.300 neue Wohnungen fertiggestellt, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. So hatte die Bundesregierung das Ziel jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Es fehlt an Sozialwohnungen und an barrierefreiem Wohnraum in ganz Deutschland. Nur zwei Prozent der Wohnungen in Deutschland sind laut dem Mikrozensus 2019 annähernd barrierefrei. Nur jedes zehnte Gebäude lässt sich stufenlos betreten.
Durch die krisenbedingt rasant gestiegenen Baukosten ist es quasi unmöglich geworden, geeigneten Wohnraum zu schaffen, der für Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher des neuen Bürgergelds bezahlbar ist. Sie fordern deshalb, die soziale Wohnraumförderung umgehend auszuweiten und die von Sozialämtern übernommenen Mietkosten angemessen zu erhöhen. Im Jahr 2022 waren das 1 900 Wohnungen oder 0,6 % mehr als im Vorjahr. Damit stieg die Zahl fertiggestellter Wohnungen nach einem Rückgang im Jahr 2021 (293 400 Wohnungen) wieder leicht, nachdem die Zahl neuer Wohnungen in den Jahren 2011 bis 2020 stetig gestiegen war. Allerdings wurde das Niveau des Jahres 2020 (306 400 Wohnungen) im Jahr 2022 nicht erreicht. In den Zahlen sind sowohl die Baufertigstellungen für neue Gebäude als auch für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden enthalten. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, jährlich 400 000 neue Wohnungen in Deutschland zu schaffen.
Erfreulich klingt die Nachricht des Statistikamts Nord, dass die Zahl fertig gestellter Wohnungen, beispielsweise in Hamburg, gestiegen ist. Das überrascht nicht, denn es wird jetzt fertig gebaut, was schon geplant war. Doch ein gravierendes Problem ist auch in Hamburg nicht gelöst: Der soziale Wohnungsbau stagniert, gleichzeitig fallen jedes Jahr mehrere Tausend Wohnungen aus der Sozialbindung. „Die Stadt stellt entsprechende Fördersummen bereit, aber jetzt muss der Errichtung von bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum in allen Behörden Vorfahrt eingeräumt werden“, fordert Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverbands SoVD Hamburg. „Hamburg braucht einen Notfallplan für den Bau von Sozialwohnungen.“ Statistiken gehen davon aus, dass bis 2035 zu den derzeit rund 347.000 in Hamburg lebende Seniorinnen und Senioren, mehr als 75.000 Menschen über 65 Jahre, hinzukommen. Mehr als die Hälfte von ihnen beziehen lediglich eine Rente bis 1.000 Euro. Die Zahl der auf Grundsicherung angewiesenen Seniorinnen und Senioren, ist auf über 30.000 gestiegen. Hinzu kommt, dass der Bedarf an barrierefreien Wohnungen im Alter steigt. „Da ist die Katastrophe programmiert, wenn nicht sofort entsprechende Sofortmaßnahmen ergriffen werden“, sagt Wicher. Dass in den Behörden offensichtlich keine belastbaren Zahlen darüber vorliegen, wie viel altersgerechter, barrierefreier Wohnraum überhaupt in der Stadt bisher zur Verfügung steht, ist Teil des Problems. „Nur eine angemessene Datenlage macht das Ausmaß des Problems sichtbar“, so Wicher. „Die Stadt muss umgehend dafür sorgen, dass entsprechende Daten erhoben werden.“ Sie gehören zur Wahrheit dazu. Die Bilanzen zum Wohnungsbau täuschen ansonsten über die Lebensrealität von Menschen mit geringen Einkommen und die großen sozialen Probleme in diesem Bereich hinweg.
Die Probleme in Hamburg zeigen ein Problem, dass bundeweit besteht, denn durch den Demografischen Wandel wird deutlich, dass der Bedarf finanzierbaren Wohnraum wachsen wird. Alleine schon deshalb, weil sich zeigt, dass in Deutschland die Gesellschaft immer älter wird. Zahlen belegen den Bedarf, denn bereits (Stand Juli 2021) lebten von den 19,6 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland, 17,9 Prozent unterhalb der Armutsgrenze.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung