Internationaler Tag der Gebärdensprachen: Dringende Verbesserung der Rechte für Gehörlose nötig
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Heute, am 23. September, feiern Menschen weltweit den Internationalen Tag der Gebärdensprachen mit einer Fülle von Aktivitäten und der faszinierenden Illuminierung zahlreicher Gebäude in strahlendem Blau. Doch während dieser Tag zweifellos dazu beiträgt, Aufmerksamkeit für diese wichtige Thematik zu schaffen, gibt es auch einige kritische Aspekte zu beachten.
Rund 80.000 Menschen in Deutschland sind laut Gehörlosen-Bund e.V. gehörlos und bilden einen bedeutenden Teil unserer Gesellschaft. Der heutige Tag soll auch dazu dienen, die kulturelle Vielfalt innerhalb der Gehörlosengemeinschaft zu würdigen.
Zum Internationalen Tag der Gebärdensprachen am 23. September 2023 erklärt der Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Gesundheitsausschuss, Hubert Hüppe:
Obwohl die Deutsche Gebärdensprache (DGS) seit 21 Jahren als eigenständige Sprache anerkannt ist, bleibt den Gehörlosen hierzulande das Recht, sich in einer für sie verständlichen Sprache auszudrücken, weitgehend verwehrt.
Das diesjährige Motto des heutigen Welttages der Gebärdensprachen «Eine Welt, in der gehörlose Menschen überall gebärden können!» ist für Taube in Deutschland von besonderer Bedeutung angesichts der fortdauernden Missachtung ihrer Rechte und der fehlenden Sichtbarkeit der DGS in den Medien, in der Politik und in der Gesellschaft.
Es besteht eine Diskrepanz zwischen Gesetzeslage und Rechtswirklichkeit, wenn es z.B. um die gleichberechtigte Teilhabe von Gehörlosen an der Gesundheitsversorgung geht. Trotz der Behindertenrechtskonvention und der durch die Verfassung garantierten Persönlichkeitsrechte sowie des Benachteiligungsverbots aufgrund einer Behinderung im Grundgesetz werden taube und andere Patienten mit Behinderungen diskriminiert und unterversorgt.
Eine wesentliche Ursache für die unzureichende medizinische Behandlung von Gehörlosen liegt in der mangelhaften Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse in der Ausbildung des Gesundheitspersonals, aber auch in der zumeist fehlenden Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetschern.
Die Bundesregierung muss die Inklusion dringend zur Chefsache machen und die notwendigen Impulse setzen, statt sich mit Ausreden zu begnügen. Ihr Versprechen, für Ende 2022 einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen vorzuliegen, hat die Ampel-Koalition bis dato nicht mal im Ansatz erfüllt. Bezeichnenderweise geht sie despektierlich mit der Teilhabe von Gehörlosen um, indem sie ab 2023 mehr als die Hälfte der sog. EUTB®-Beratungsstellen, die in der Lage sind, Gehörlose und Taubblinde niederschwellig zu beraten, streicht.
Die Bundes-, Landes- und Kommunalregierungen müssen gleichermaßen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen endlich Rahmenbedingungen schaffen, damit u.a. mehr Gebärdensprachdolmetscher ausgebildet und unbürokratisch flächendeckend eingesetzt werden können; damit ausreichendes Fachwissen bei Ärzten und Medizin-Pflegepersonal über behinderungsspezifische Besonderheiten vorliegt; damit Gehörlose und andere Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt am Leben teilhaben können.
Die Beteiligung am wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben muss für Gehörlose in gleichem Maße gewährleistet sein wie für hörende Menschen. Taube können alles, außer hören.
Anlässlich des Internationalen Tages der Gebärdensprache am 23. September erklärt Sören Pellmann, Sprecher für Inklusion und Teilhabe der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:
Gebärdensprachen sind natürliche Sprachen, die die kulturelle Identität und die Menschenrechte von gehörlosen Menschen ausdrücken. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der sprachlichen Vielfalt unserer Gesellschaft und verdienen Anerkennung und Schutz. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert hat, verpflichtet die Staaten dazu, die Gebärdensprachen zu fördern und den Zugang zu ihnen zu gewährleisten.
Leider ist die Situation in Deutschland noch weit von diesem Ziel entfernt. Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist zwar seit 2002 als eigenständige Sprache anerkannt, aber nicht als Amtssprache. Das bedeutet, dass gehörlose Menschen keinen Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher haben, wenn sie mit Behörden, Ärzten oder Gerichten kommunizieren wollen. Sie müssen oft selbst für die Kosten aufkommen oder auf schriftliche Kommunikation ausweichen, die für viele nicht ausreichend ist.
Auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens fehlt es an Barrierefreiheit für gehörlose Menschen. Ob Bildung, Kultur, Medien oder Politik - überall stoßen sie auf Hindernisse, die ihre Teilhabe erschweren oder verhindern. Es gibt zu wenige Angebote in Deutsche Gebärdensprache (DGS), zu wenig Untertitelung oder Visualisierung von Informationen, zu wenig Sensibilisierung und Qualifizierung von hörenden Menschen.
Deshalb fordern wir als LINKE im Bundestag anlässlich des Internationalen Tags der Gebärdensprache:
- Die Anerkennung der DGS als Amtssprache und die Sicherstellung eines flächendeckenden Angebots von qualifizierten Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetschern.
- Die Einführung von DGS als Fach in Schulen und die Gewährleistung einer inklusiven Bildung für gehörlose Kinder und Jugendliche.
- Die Förderung von DGS in allen Bereichen der Kultur und der Medien, zum Beispiel durch mehr Gebärdensprachtheater, Filme, Nachrichten.
- Die Unterstützung der Forderung der Gehörlosenverbände nach einem Bundeskompetenzzentrum für Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser.
- Die Stärkung der politischen Partizipation von gehörlosen Menschen, zum Beispiel durch mehr DGS-Angebote bei Wahlen, Volksentscheiden oder Bürgerbeteiligungen.
Gebärdensprachen sind ein wertvoller Schatz unserer Gesellschaft. Lasst sie uns gemeinsam schützen und fördern!