Gewerkschaften fordern bessere berufliche Chancen für Menschen mit Behinderung
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Vor einem Jahr wurden bundesweit Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben neu gewählt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg und die Gewerkschaft ver.di nehmen diese Neuwahlen zum Anlass, auf ihrer gemeinsamen gestrigen Tagung Wege zur Verbesserung der beruflichen Chancen von Menschen mit Schwerbehinderung aufzuzeigen.
Sie fordern verstärkte Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Chancen für Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg und betonen, dass trotz gesetzlicher Vorgaben die Notwendigkeit besteht, die Situation für Schwerbehinderte auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, wie es in einer Pressemitteilung des DGB Baden-Württemberg heißt.
Bei ihrer Begrüßung der rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Betrieben und Verwaltungen im Willi-Bleicher-Haus in Stuttgart sagte die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Maren Diebel-Ebers: „In Baden-Württemberg ist nicht einmal die Hälfte der Schwerbehinderten im erwerbsfähigen Alter berufstätig. Knapp 16.000 Schwerbehinderte sind arbeitslos. Ihre Arbeitslosenquote ist mit 9,9 Prozent fast dreimal so hoch wie die aller Erwerbstätigen im Südwesten. Mit dieser Diskriminierung muss endlich Schluss sein. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen muss auch in den baden-württembergischen Betrieben und Verwaltungen umgesetzt werden. Menschen mit Behinderung haben das gleiche Recht auf Arbeit wie alle anderen auch.“
Es braucht nach Überzeugung von DGB und ver.di eine gemeinsame Strategie von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Arbeitsagentur und Sozialverbänden, damit Inklusion nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt. „Gerade in Zeiten, in denen von rechter Seite das Konzept Inklusion grundsätzlich in Frage gestellt wird“, so Diebel-Ebers.
Maike Schollenberger, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin, sagte mit Blick auf die Soll-Quote von fünf Prozent für Arbeitgeber mit mehr als 60 Beschäftigten: „Menschen mit Behinderungen machen jeden Tag einen tollen Job für ihre Arbeitgeber, mit Engagement und Kompetenz. Im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg werden die gesetzlichen Quoten getreu den Buchstaben des Gesetzes zwar gerade so erfüllt. Gelebte Inklusion wäre aber deutlich mehr. Eine Vorbildfunktion für die private Wirtschaft wird so leider nicht ausgeübt. Es stünde dem Staat als Arbeitgeber gut zu Gesicht, die Quote auch in den kleineren Einheiten mit weniger als 60 Beschäftigten zu erfüllen.“
Jendrik Scholz, DGB-Abteilungsleiter für Arbeits- und Sozialpolitik, kritisierte, „dass auch private Großbetriebe mit über 60 Arbeitsplätzen in Baden-Württemberg ihrer gesetzlichen Beschäftigungspflicht Schwerbehinderter oft nicht nachkommen. Sie müssten mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen. Tatsächlich liegt ihre Beschäftigungsquote Schwerbehinderter bei lediglich vier Prozent. In Baden-Württemberg sind knapp 50.000 Pflichtarbeitsplätze unbesetzt. Viele Unternehmen bezahlen lieber die Ausgleichsabgabe, statt die Inklusion voranzubringen.“
Angesichts der Tatsache, dass Schwerbehinderte sich ihr Handicap häufig durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zugezogen haben, gelte es, den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Betrieben zu verbessern. Allein für das Jahr 2020 seien landesweit 101.701 Arbeitsunfälle erfasst worden. 66 von ihnen waren tödlich.
DGB und ver.di dringen seit Langem darauf, den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verbessern. Gerade kleine und mittlere Betriebe müssten besser beraten werden, wie sie gesundheitliche Risiken für die Beschäftigten vermindern und Inklusion leben können.