Bundestag hat über Anträge für ein barrierefreies Reisen beraten
- Lesezeit: 6 Minuten

Der Bundestag hat am späten Donnerstagabend, dem 28 September 2023 über den Antrag der Union zur "Förderung von barrierefreiem Tourismus zur Ermöglichung von Reisen und Kulturerlebnissen für alle". (Drucksache: 20/7590) sowie über den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Menschen mit Behinderungen umfassende Teilhabe ermöglichen – Barrierefreien Tourismus konsequent fördern" (Drucksache: 20/7640) beraten. Beide Anträge wurden anschließend zur Prüfung an den federführenden Tourismusausschuss überwiesen.
Wilfried Oellers, der Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, hat betont, dass die parlamentarische Sommerpause noch nicht lange zurückliegt und die Urlaubserinnerungen hoffentlich noch lebendig sind. Leider gehören zu den Erinnerungen von Menschen mit Behinderungen nicht immer nur positive Erfahrungen. Sie berichten oft von Enttäuschungen. Beispielsweise war das als barrierefrei beworbene Hotel nicht rollstuhlgerecht ausgestattet oder der Strandzugang war nur über Treppen möglich. Informationen in leichter Sprache fehlten und angeforderte Assistenzleistungen wurden nicht erbracht.
Oellers betonte, dass im Bereich des barrierefreien Tourismus bereits viel erreicht wurde, aber es gibt noch viel zu tun. Die Probleme liegen auf der Hand: Kommunen und Tourismusanbieter, die das Reisen für alle praktisch umsetzen sollen, fühlen sich nicht einbezogen. Das Programm “Reisen für alle” ist nur begrenzt verbreitet und wenig bekannt bei den Betroffenen, den Selbsthilfeverbänden, potenziellen Anbietern aus der Tourismusbranche und in der Bevölkerung insgesamt.
Es besteht Bedarf an einheitlichen Qualitätsstandards auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Darüber hinaus ist die barrierefreie Reisekette von entscheidender Bedeutung. Ein barrierefreies Hotel nützt wenig, wenn der Bahnhof des Urlaubsortes nicht rollstuhlgerecht ist oder keine Assistenzkräfte vorhanden sind. Der barrierefreie Tourismus darf nicht mehr isoliert betrachtet werden.
Sören Pellmann von der Linken kritisierte, dass der Antrag der Union in diesem Bereich nichts als heiße Luft sei. Er sei ziellos und unverbindlich, ohne einen festen Zeitplan, ein Papiertiger. Die Zeit der freiwilligen Selbstverpflichtungen, der runden Tische, der Patenschaften und der Appelle müsse vorbei sein. Ihr hilfloses “Bitte bitte” habe ausgedient, betonte Pellmann und erhielt Applaus im Plenum.
Daher habe seine Fraktion einen Antrag vorgestellt, der konkrete Maßnahmen fordert. Es braucht einen Masterplan für barrierefreien Tourismus, der konkrete und verbindliche Umsetzungsschritte festlegt. Die Schaffung von Barrierefreiheit im Tourismus müsse als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, da Barrierefreiheit uns alle betrifft, so Pellmann.
Alle Betreiber von tourismusrelevanten Einrichtungen sollten verpflichtet werden, Informationen über ihren Barrierefreiheitsstatus bereitzustellen. Pellmann erklärte, dass mit ihrem Antrag endlich die fehlende Barrierefreiheit zur Bedingung für Fördermittel des Bundes, der Bundesländer und der Europäischen Union gemacht werde, was ebenfalls Applaus im Bundestagsplenum erhielt.
Die Bundesregierung solle zudem verpflichtet werden, digitale Anwendungen zu fördern, die einen barrierefreien Zugang zu allen Informationen gewährleisten.
Zusammengefasst sagte Pellmann, dass dieser Antrag in den kommenden Wochen in den Ausschüssen weiter beraten werde. Ihr Ziel sei es, nicht nur zu kleckern, sondern zu klotzen.
Antrag der CDU/CSU-Fraktion:
Die Fraktion CDU/CSU hat in ihrem Antrag (20/7590) die Bundesregierung aufgefordert, eine langfristige Finanzierung des Zertifizierungs- und Kennzeichnungssystems "Reisen für Alle" sicherzustellen. Dieses Zertifikat dient dazu, barrierefreie Reiseangebote zu kennzeichnen. Um die Anzahl der teilnehmenden Anbieter zu steigern, sollte die Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern auf klare und leicht handhabbare Kriterien für das Kennzeichnungssystem hinwirken.
Des Weiteren sollten in Kooperation mit Behindertenverbänden, Vertretern der Tourismusbranche, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie den Bundesländern Konzepte entwickelt werden, um Barrierefreiheit entlang der gesamten touristischen Leistungskette zum Standard zu machen, so die Abgeordneten.
Zusätzlich sollten Förderprogramme mit einem Fokus auf Digitalisierung verstärkt auf barrierefreie Angebote ausgerichtet werden, und das Thema Barrierefreiheit sollte vermehrt in Ausbildungs- und Studiengänge integriert werden, wie es in dem Antrag heißt.
Antrag der Linken-Fraktion:
Die Fraktion Die Linke strebt mit ihrem Antrag (20/7640) an, den Tourismus in Deutschland vollständig barrierefrei zu gestalten. Hierzu sollte auf Grundlage der Nationalen Tourismusstrategie ein koordinierter Masterplan erstellt werden. Ebenfalls sollte ein Konzept zur Weiterentwicklung des Informations- und Kennzeichnungssystems "Reisen für Alle" ausgearbeitet werden, und die derzeitigen Möglichkeiten zur Schaffung von Barrierefreiheit sowie zur Vermeidung neuer Barrieren im Neubau sollten genutzt werden.
Die Abgeordneten fordern zudem die Förderung von digitalen Anwendungen, die einen barrierefreien Zugang zu sämtlichen Informationen gewährleisten. Sie setzen sich auch dafür ein, dass das Thema barrierefreier Tourismus verbindlich in die Lehrpläne der entsprechenden Studiengänge im Tourismussektor sowie in die Ausbildungsprogramme der Hotelfachschulen aufgenommen wird, und sie erwarten, dass die Bundesregierung sich für diese Maßnahmen einsetzt.