Bremer Appell: Deutschland muss Inklusion endlich ernst nehmen
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Anlässlich des 30. Jahrestags des Inkrafttretens des besonderen Benachteiligungsverbots in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ haben sich die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern in Bremen mit den rechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes befasst, wie es in einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung heißt.
Die Verfassung gewährleistet allen Menschen jene Rechte, die für eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nötig sind. Dennoch werden Menschen mit Behinderungen weiterhin strukturell benachteiligt. Tiefsitzende Vorurteile der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen bestehen fort. Der konsequente Paradigmenwechsel hin zu einer gleichberechtigten Teilhabe wird dadurch verhindert.
Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter der Freien Hansestadt Bremen, Gastgeber und Sprecher der Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für die Belange von Menschen mit Behinderungen (KBB): „Die Verfassung enthält einen Transformationsauftrag hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Diesem kommt Deutschland gegenwärtig nicht hinreichend nach."
Nach wie vor bestehen für Menschen mit Behinderungen viele Sonderstrukturen. In Deutschland gehen Kinder mit Behinderungen beispielsweise oft auf Förderschulen und arbeiten später in Werkstätten für behinderte Menschen. Bestehende Ausgrenzungen werden damit fortgesetzt.
Deshalb erklärt Arne Frankenstein: „Insbesondere beim Abbau benachteiligender Sonderstrukturen verdichten sich die Vorgaben der Verfassung zu einem unmittelbaren Handlungsauftrag. Wir appellieren daher heute sehr eindringlich, dass Deutschland insbesondere den Abbau von Sonderstrukturen als politischen Handlungsschwerpunkt weiterverfolgt und hierfür die erforderlichen Haushaltsmittel bereitstellt."
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen: „Die strukturelle Benachteiligung zeigt sich auch daran, dass dringend notwendige inklusionspolitische Vorhaben von politisch Verantwortlichen oftmals auf die lange Bank geschoben werden. Das gilt auch für diese Legislaturperiode. Damit wird Politik unglaubwürdig und verspielt Vertrauen."
Vor dem Hintergrund der aktuellen bundespolitischen Entwicklungen fordern die Beauftragten von der neuen Bundesregierung und dem Parlament, dass die inklusionspolitischen Vorhaben aus der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages (insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG, das Behindertengleichstellungsgesetz BGG, das Gesetz zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe IKJHG sowie die Reform des Werkstattrechts) besonders prioritär umgesetzt werden.
Annetraud Grote, die niedersächsische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, zieht das Fazit: „Im Rahmen der Konferenz haben wir viele Inspirationen erhalten, den Transformationsprozess in eine inklusive Gesellschaft auch in Niedersachsen mit vielen wichtigen Akteurinnen und Akteuren gemeinsam weiter verstärkt umzusetzen.“
Um die gebotene Transformation mit Nachdruck und im Sinne des verfassungs- und menschenrechtlichen Auftrags zu gestalten, hat die Konferenz konkrete Forderungen an Bund, Länder und Kommunen adressiert. Diese Forderungen sind im "Bremer Appell", der zum Abschluss der Konferenz verabschiedet wurde, zusammengefasst.