Die Pflege Angehöriger darf nicht zu Armut und Altersarmut führen
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Angesichts immer weiter steigender Eigenanteile für Bewohner von Pflegeheimen appelliert der Sozialverband VdK Nord an die Verantwortlichen in Bund und Land. Die Politik darf pflegebedürftige Menschen nicht länger in die Armut laufen lassen. Im Durchschnitt muss ein Heimbewohner in Schleswig-Holstein inzwischen 1980 Euro im Monat als Eigenanteil bezahlen. Vor vier Jahren waren es noch rund 400 Euro weniger, wie aus Daten des Verbands der Ersatzkassen hervorgeht. Und der nächste Preisschock droht bereits mit der flächendeckenden Bezahlung nach Tarif ab September 2022.
„Die Entwicklung ist deutlich: Pflege wird immer mehr zum Armutsrisiko“, warnt Landesverbandsgeschäftsführer Ronald Manzke. Die tarifliche Entlohnung in der Pflege sei zwar ein richtiger Schritt, aber es brauche jetzt schnell eine Deckelung des Eigenanteils ab dem Einzug ins Heim.
Der Sozialverband VdK Nord weiß selbst aus der Beratungspraxis, dass immer mehr Menschen mit den Heimkosten überfordert sind. Viele hätten Angst, Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Daher fordert der VdK Nord, dass die Pflegeversicherung endlich die gesamten pflegebedingten Kosten übernimmt – und nicht nur einen Zuschuss. Die zu erwartenden Kosten wären für die Versicherten und Arbeitgeber überschaubar, wenn die gesetzliche und private Pflegeversicherung nicht mehr getrennt wären. Auch das Land muss endlich handeln und die Investitionskosten für die Pflegeheime übernehmen. Denn Pflege sollte uns als Gesamtgesellschaft mehr wert sein.
Zudem appellierte der Ehrenvorsitzende des Sozialverbands VdK Baden-Württemberg, Roland Sing: „Das Land Baden-Württemberg muss wieder die Investitionskosten für Pflegeheime übernehmen! Dies ist ein wichtiger Schritt, um die hohen Eigenanteile der Heimbewohner zu reduzieren.“ Beim VdK-Gesundheitstag in der Liederhalle Stuttgart übergaben Sing und der Landesvorsitzende Hans-Josef Hotz im Beisein von rund 1.200 Besucherinnen und Besuchern 100.000 Unterschriften an Ministerialrätin Dr. Angela Postel. Sie nahm die Unterschriften stellvertretend für Sozialminister Manfred Lucha entgegen, der per Videobotschaft in den Hegelsaal zugeschaltet war.
Im Jahr 2019 wurden die 100.000 Unterschriften mit der Forderung nach Rückkehr des Landes zur Investitionskostenförderung, wie dies bis 2010 der Fall war, gesammelt. „Zwischenzeitlich hat sich die finanzielle Lage der Heimbewohner weiter verschlechtert – leider gilt weiterhin: Pflege macht arm!“, so Roland Sing. Er verwies auf durchschnittliche Eigenanteile in Höhe von monatlich 2.555 Euro im Südwesten, die mit üblichen Renten nicht zu stemmen seien. Und der VdK-Ehrenvorsitzende hob hervor, dass bereits über 30 Prozent der 94.000 Pflegeheimbewohner auf „Hilfe zur Pflege“ angewiesen seien. „Dabei war die gesetzliche Pflegeversicherung einst geschaffen worden, um die Sozialhilfeabhängigkeit der Heimbewohner zu verhindern“, erinnerte Sing und hob den heute wieder gestiegenen und zugleich entwürdigenden Sozialhilfebedarf der pflegebedürftigen Menschen hervor.
Viel Reformbedarf sieht der Sozialverband VdK auch bei der häuslichen Pflege und hat hierzu schon im Frühjahr 2022 die Kampagne #naechstenpflege gestartet. Der Landesvorsitzende Hans-Josef Hotz und der stellvertretende VdK-Bezirkschef für Nordwürttemberg, Frank Stroh, appellierten in der Liederhalle an den Gesetzgeber, ein flexibles und regelmäßig zu erhöhendes Budget für alle Pflegeleistungen, abhängig vom Pflegegrad, zu schaffen. „So verhindern wir, dass Entlastungsleistungen immer wieder verfallen, weil die Beantragung zu kompliziert ist, Informationen fehlen oder auch hohe Zuzahlungen befürchtet werden“, betonten sie. Von der Landesregierung erwartet der VdK dass sie sich wirklich nachhaltig und durch eine Bundesratsinitiative wirksam für eine Pflegereform auf Bundesebene einsetzt.
Außerdem plädierten Hotz und Stroh für eine dem Elterngeld vergleichbare Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. „Denn, die Pflege geliebter Menschen darf nicht zu Armut und späterer Altersarmut führen!“. Ebenso verlangten sie den Ausbau der unabhängigen Pflegestützpunkte im Lande, um die Betroffenen besser erreichen und leichter und umfassender über die Pflegeversicherungsleistungen und die pflegespezifischen Angebote informieren und auch Wohnberatung anbieten zu können. Es müsse ein Pflegestützpunkt pro 20.000 Einwohner geschaffen werden.
Darüber hinaus forderte Hotz, dass alle Pflegekassen gleichermaßen ihrem gesetzlichen Auftrag zur Pflegeberatung nachkommen „und nicht nur ein paar ganz wenige“. Die VdK-Forderungen verdeutlichte vor der Liederhalle eine „Demo ohne Menschen“ mit Plakaten und Bannern.
Autor: dm / VdK