Jeder Fünfte von Armut bedroht - Sozialverband fordert dringenden Handlungsbedarf
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In Deutschland ist mehr als jede fünfte Person von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Rund 17,7 Millionen Menschen waren nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts vom April 2024 im Jahr 2023 betroffen – eine alarmierende Quote, die gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert blieb. 2022 waren etwa 17,5 Millionen Menschen, also 21,1 % der Bevölkerung, von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Eine Person gilt in der Europäischen Union (EU) als armutsgefährdet oder sozial ausgegrenzt, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen zutrifft: das Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, der Haushalt leidet unter erheblicher materieller und sozialer Entbehrung oder es herrscht sehr geringe Erwerbsbeteiligung.
Im Jahr 2023 war etwa jede siebte Person in Deutschland, also 14,3 % der Bevölkerung oder knapp 12 Millionen Menschen, konkret armutsgefährdet. 2022 lag die Armutsgefährdungsquote bei 14,8 %. Nach den EU-Richtlinien zur Erhebung von Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn sie weniger als 60 % des mittleren Äquivalenzeinkommens der Gesamtbevölkerung verdient. 2023 lag diese Schwelle für eine alleinlebende Person bei 1.310 Euro netto monatlich, und für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.751 Euro.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass sich trotz stabiler Wirtschaftszahlen die Lebensrealität vieler Menschen kaum verbessert hat. Immer mehr Menschen sind weiterhin akut von Armut betroffen oder leben am Rande des Existenzminimums. Eine Umfrage des Sozialverbands Deutschland (SoVD) in Niedersachsen zeigt: Viele Befragte machen sich mehr finanzielle Sorgen als noch vor einigen Jahren, müssen ihren Konsum einschränken und haben nicht ausreichend Geld, um privat vorzusorgen. Der SoVD sieht mit den Ergebnissen die derzeitigen Entwicklungen und Probleme bestätigt und fordert von der Politik ein schnelles Eingreifen, damit sich die soziale Ungerechtigkeit nicht weiter verschärft.
Immer mehr Menschen sind aufgrund ihrer finanziellen Situation beunruhigt. Das bestätigt auch eine SoVD-Umfrage. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, sich um das Thema Geld mehr Sorgen zu machen als noch vor ein paar Jahren, mehr als die Hälfte gibt bewusst weniger Geld aus. 67 Prozent haben nicht die Ressourcen, um privat vorzusorgen, damit sie im Alter gut versorgt sind. „Das sind erschreckende Zahlen, allerdings bestätigen sie den derzeitigen Trend. Die Menschen in Niedersachsen sind angesichts der hohen Preise und der wirtschaftlichen Situation verunsichert“, erläutert Dirk Swinke, Vorstandsvorsitzender des SoVD in Niedersachsen. Besonders besorgniserregend sei die Tatsache, dass über 80 Prozent der Befragten der Meinung sind, der Wohlstand in Deutschland sei ungerecht verteilt.
Im Hinblick auf diese Zahlen weist Niedersachsens größter Sozialverband darauf hin, dass soziale Ungerechtigkeit und Verunsicherungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auf Dauer auch die Demokratie gefährden. „Deshalb ist es an der Zeit, dass die Politik endlich etwas tut – und zwar sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene“ fordert Swinke. Zu den wichtigsten Forderungen gehören laut Swinke eine Steigerung des Rentenniveaus auf mindestens 53 Prozent, bezahlbare Mieten, ein 29-Euro-Ticket für Bus und Bahn sowie Preisbremsen für Strom und Gas.
Der SoVD hat die nicht-repräsentative Befragung im Rahmen seiner Kampagne „Für mehr Miteinander“ an zahlreichen Standorten in Niedersachsen – darunter Celle, Diepholz, Göttingen, das Emsland und Cuxhaven – durchgeführt. Insgesamt haben etwa 2.400 Menschen daran teilgenommen.