MehrBarrierefreiheitWagen - Am Rande des Protesttages zur Barrierefreiheit
- Lesezeit: 3 Minuten
Barrierefreiheit ist ein Grundrecht und wird von Menschen mit Behinderungen immer wieder eingefordert, da Deutschland hier noch nicht gut aufgestellt ist, wie aus der Politik, gerade aber auch von betroffenen Menschen, immer wieder dargestellt wird. Barrierefreiheit bedeutet für Menschen mit Behinderungen, dass ein Produkt oder eine Sache, unabhängig von der Behinderung, genutzt werden kann. Hier fängt privatwirtschaftlich die Herausforderung an, denn Produkte sollten so gestaltet werden, dass diese von jedem genutzt werden können.
Menschen mit Behinderungen stoßen genau hier oft an ihre Grenzen. Frau Dr. Sigrid Arnade, Sprecherin für "Gender & Diversity" bei der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL e.V.) hat sich am Rande der Protestaktion am Brandenburger Tor zum europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, mit Jessica Schröder (ISL-Expertin für Barrierefreiheit), unterhalten.
Jessica Schröder betont dabei, dass "das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, seinen Namen leider nicht so richtig verdient hat, weil es nur die Barrierefreiheit in ganz speziellen sehr bestimmten Bereichen stärkt". Eine nicht unberechtigte Kritik, denn Barrierefreiheit hat mehr Grenzen, als vielen Menschen bewusst ist. Wie die Aktion am Mittwoch verdeutlichte, endet die Barrierefreiheit oft schon am Geldautomat (wir berichteten). Eine Zusammenfassung, gibt es hierzu im heutigen Newsletter.
Aus dieser Perspektive betrachtet, ist der Abbau von Barrieren nicht nur, um die Worte von Jessica Schröder zu verwenden, ein "Nice to have", sondern eine gesellschaftliche Verpflichtung. Zumindest theoretisch, denn in der Praxis sieht es anders aus. Während jemand, der zu Fuß "fit" ist, mal eben die nächste U-Bahn aufsuchen kann, bleibt für den Menschen mit Gehbehinderung nur, sich einen U-Bahnhof zu suchen, der ein Fahrstuhl besitzt. Diese sind dann meist viele weitere Kilometer entfernt und der gehbehinderte Mensch erreicht sein Ziel nur mit erheblichen Mehraufwand. Ist das die gesetzlich garantierte Gleichstellung behinderter Menschen?
Eine Frage von Sigrid Arnade, "Weshalb geht der Kohleausstieg schneller als die Verpflichtung zu einem barrierefreien Bankautomaten?" und die folgende Antwort von Jessica Schröder, "Ich glaube der Kohleausstieg geht wahrscheinlich schneller, weil dahinter jetzt mit ziemlich starke lobby steht, das Thema Klima relativ stark auch durch die "Fridays for future" Bewegung so geprägt wurde ..." verdeutlicht etwas. Menschen mit Behinderungen fehlt einfach die Lobby. Zwar gibt es auf der politischen Ebene Politiker:Innen die sich für Behindertenpolitik einsetzen, aber wie sich im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren immer wieder zeigt, sind die Grenzen für Barrierefreiheit durch finanzielle Mittel abgesteckt. Etwas, was in einer zunehmend alternden Gesellschaft genauso fatal enden kann, wie die Ignoranz des "Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012".
Sollte sich in diesem Wahljahr in der Bundesregierung das Kräfteverhältnis so ändern, dass politische Parteien mit Fokussierung auf die Behindertenpolitik mehr Durchsetzungskraft gewinnen, wird sich zeigen ob die nächste Legislaturperiode auch zum Umdenken in der Behindertenpolitik führt.
Autor: kro / © EU-Schwerbehinderung