Impfpflicht gefährdet Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen
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Die allgemeine Impfpflicht wird seit langem debattiert und das mit besonders unterschiedlichen Auffassungen, dazu findet morgen eine dreistündige Debatte im Deutschen Bundestag statt, fast schon geräuschlos, zumindest wenig debattiert, ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht die, wie der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch mal betonte (Wir berichteten: Lauterbach: Einrichtungsbezogene Impfpflicht soll definitiv im März kommen), die im März auf jedem Fall kommt. Das Bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis dahin nachweisen müssen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft wurden.
Viel Kritik, aber auch Unverständnis kommt gerade von den Menschen, die von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffen sind, denn um die allgemeine Impfpflicht wird offensichtlich mehr debattiert, während Menschen, die in bestimmten Einrichtungen arbeiten, die Impfpflicht, ähnlich der Masernimpfpflicht, als selbstverständliche Maßnahme verstanden wird. Schließlich ist dort die Impfpflicht als allgemeines Schutzmittel jener Personen zu verstehen, die in den Einrichtungen leben oder von ihnen, wenn auch häuslich, betreut werden. Viele befürchten allerdings, dass diese einrichtungsbezogene Impfpflicht zur Personalflucht führen wird und gerade da, wo jetzt schon viel Personal fehlt, es zu einem weiteren Personalmangel kommen wird. Das mit möglichen verherrenden Folgen in der pflegerischen Versorgung.
Auch in einem ganz anderen Bereich wird befürchtet, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu einem Mangel von notwendigem Personal kommen wird. Nämlich gerade bei den Menschen die für ihr selbstbestimmtes Leben, auf eine Assistenz angewiesen sind, die häufig in einem Arbeitsverhältnis tätig sind, bei dem die Assistenzkraft direkt bei der Person beschäftigt werden, die eine Assistenzkraft benötigt. Wie der Beitrag Impfpflicht für Assistenz gefährdet selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen gut beschreibt. Es droht eine Versorgungslücke, die im schlimmsten Fall das selbstbestimmte Leben behinderter Menschen gefährdet.
Inwieweit diese bisherigen Kritiken gerechtfertigt sind, wird sich allerdings zeigen müssen. Als Frankreich in gleicher Situation die Impfpflicht vorgeschrieben hat, gab es zwar viele Proteste, aber die große Kündigungswelle ist ausgeblieben, so dass die Versorgung in den Einrichtungen weiterhin gesichert ist. Deutschland ist allerdings nicht Frankreich und das Verständnis für "Selbstverständlichkeiten" unterscheidet sich kulturell und gesellschaftlich doch erheblich.
Zum Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz für ein bundeseinheitliches Vorgehen bei der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sagt der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), Bernd Meurer:
"Das Ziel der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, den Schutz der vulnerablen Menschen in den Pflegeeinrichtungen zu erhöhen, kann nicht erreicht werden, solange Besucher und Angehörige ungeimpft bleiben können. Deshalb begrüßen wir das klare Signal der Gesundheitsministerkonferenz für eine allgemeine Impfpflicht.
Ein bundesweit einheitliches Vorgehen zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, das vor allem die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung im Blick hat, kann die schlimmsten Folgen der einseitigen Impflicht für Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen abfedern und gibt Planungssicherheit für die Einrichtungen. Ein Flickenteppich von individuellen Lösungen der Gesundheitsämter vor Ort wird damit vermieden.
Die Gesundheitsminister haben bereits wichtige Eckpunkte vorgegeben: eine sorgfältige und rechtssichere Vorbereitung, eine vorhergehende Anhörung der Beschäftigten sowie die Einbindung der Arbeitgeber und ein abgestuftes Verfahren mit Betretungsverboten als letztes Mittel. Leitlinie muss immer sein: Die Versorgung von Pflegebedürftigen darf nicht gefährdet werden. Diese Priorität haben die Gesundheitsminister erfreulicherweise klar erkannt. Der Beschluss muss nun aber auch schnell in allen Bundesländern umgesetzt werden.
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Doch auch diese Maßnahmen werden massive Versorgungsengpässe nicht überall vermeiden können. Schon jetzt ist die Personalsituation in der Pflege durch Krankheits- und Quarantänefälle dramatisch. Wir brauchen deshalb Notfallpläne mit dem Einsatz von Kräften der Bundeswehr oder aus dem Katastrophenschutz sowie flächendeckend wirksamere Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Omikron-Variante. Sinkende Infektionszahlen sind der beste Schutz für Pflegeeinrichtungen."
Wie sich aus einer Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft ergab, erreichen selbst Krankenhäuser keine Impfquote von 100%. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft stellt in ihrer Umfrage dar, dass Beschäftigte in Krankenhäusern zu einem im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung weit überdurchschnittlichen Anteil gegen Corona geimpft sind. An der Blitzumfrage die im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vom Deutschen Krankenhausinstituts durchgeführt wurde, haben sich 246 Krankenhäuser beteiligt.
Die DKG weiter: Demnach sind im Durchschnitt 90 Prozent der Beschäftigten in patientennahen Bereichen mindestens zweimal geimpft. Besonders hoch ist die Quote in der Pflege mit 95 Prozent. Trotz der hohen Impfquote erwarten viele Krankenhäuser dennoch personelle Einschränkungen infolge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. 85 Prozent der Kliniken mit einer Impfquote von weniger als 85 Prozent rechnen mit Beschränkungen. Bei Krankenhäusern mit mehr als 95 Prozent Impfquote sind es noch immer 42 Prozent. Das zeigt, wie dünn die Personaldecke in den Kliniken insgesamt ist und wie sehr schon relativ geringe Fluktuationen zu Problemen bei der Patientenversorgung führen können. Die Krankenhäuser melden zurück, dass sie auch weiterhin ihren erfolgreichen Weg gehen, den wenigen noch ungeimpften Beschäftigten gezielt Gespräche und Beratung anzubieten.
„Die Zahlen zeigen, dass wir im Krankenhaus eine erfreulich hohe Impfquote erreicht haben, auch in den patientenfernen Bereichen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht dennoch Probleme auf die Patientenversorgung zukommen könnten. Umso wichtiger ist es, dass Rechtsklarheit hergestellt wird und die Gesundheitsämter nach dem 15. März einheitlich und mit angemessenen Übergangsfristen das weitere Verfahren umsetzen. Und wir brauchen neben dem politischen Bekenntnis nun auch die umgehende Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht. Denn es ist den Beschäftigten am Krankenbett auf Dauer kaum vermittelbar, warum sie selbst einer Impfpflicht unterliegen, gleichzeitig aber der weitaus größte Teil der Patienten, um die sie sich kümmern müssen, die Impfung leichtfertig nicht genutzt hat“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.
Schon jetzt haben die Krankenhäuser allerdings mit krankheitsbedingten Personalausfällen zu kämpfen. Fast zwei Drittel der Krankenhäuser verzeichnen mehr als übliche oder sogar deutlich höhere Ausfälle. Dazu erklärt DKG-Chef Gaß: „Die Personalausfälle sind aktuell ein deutlich größeres Problem als in normalen Jahren. Das zeigt, dass wir die verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Patientenbehandlung bestmöglich entlasten müssen, um die Versorgung aufrechterhalten zu können. Dazu braucht es einen Bürokratie-Lockdown, der alle Dokumentationen, die nicht medizinisch-pflegerisch notwendig sind, aussetzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören ans Krankenbett zu den Patientinnen und Patienten und nicht an die Schreibtische oder in Prüfungen des Medizinischen Dienstes.“ Krankenpflegekräfte müssen etwa drei bis vier Stunden ihrer täglichen Arbeitszeit mit Dokumentation und anderen bürokratischen Arbeiten verbringen. Ein Großteil davon ist für medizinische und pflegerische Belange der Patienten nicht relevant.
Autor: kk / © EU-Schwerbehinderung
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